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Titel2310

Antworten

Rainer Brüderle, Welt-Ökonom. – Die Dollardruckerei der US-Notenbank mißfällt Ihnen, Sie meinen, die zusätzliche Geldmenge werde niemandem wirtschaftlichen Nutzen bringen: »Es reicht nicht, das Wasser hinzustellen, die Pferde müssen auch saufen.« Denken Sie noch mal nach, vielleicht kommen Sie dann drauf: Die neu ausgegebenen Dollars verschwinden nicht, irgendwer eignet sich das »Wasser« an. Es müssen ja nicht alle Pferde saufen, einige reichen.

Angela Merkel, Europa-Ökonomin. –
Die Schuldenmacherei anderer EU-Staaten wollen Sie nicht länger dulden: »Wir werden künftig nicht einfach zuschauen, wenn Länder mit falscher Politik die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft untergraben.« Und wenn nun diese Staaten Ihre Warnung ernstnehmen und sich konkurrenzfähig machen? Dann stünde es schlecht für die deutsche Exportwirtschaft. Die hat es doch bisher gut geschafft, durch die Politik der Lohndrückerei andere Länder niederzukonkurrieren.

Claudia Roth, Thermikerin. – Soll die von Ihnen geführte Partei sich schon darauf einrichten, als größte »Volkspartei« zu agieren? Dazu mochten Sie sich noch nicht äußern, denn »Umfragen« seien »Umfragen«. Jetzt, sagten Sie, müßten die Grünen sich erst einmal darauf konzentrieren, daß für sie der »Rückenwind« anhält. Ja, Winde können wechseln, allerdings läßt sich da einiges bewirken: durch Windmacherei.

Cem Özdemir, Parteienforscher. – In Bild am Sonntag haben Sie mitgeteilt, zu welchem Ergebnis Ihre Untersuchung des politischen Partnermarkts in der Bundesrepublik geführt hat: »Es gibt keine schwarz-grüne Option, die Union hat sie vom Platz genommen.« Ihre Aussage kam termingerecht – die grüne Partei war gerade dabei, den Demorahm im Wendland abzuschöpfen. Daß die Grünen selbst eine schwarz-grüne Option vom Platz genommen hätten, haben Sie nicht behauptet, auch nicht, daß die Union ihrerseits außerstande sei, sie wieder dort hinzustellen. Der Castor rollt, mal hin, mal her, Protest kommt und geht. Eine Option haben Sie grundsätzlich verneint: eine Koalition mit der Linkspartei. Die sei nicht denkbar, denn: »Die Linkspartei will nur kritisieren, nicht regieren.« Diese Einschätzung überzeugt uns nicht: Parteien sind doch, wie das Beispiel der Grünen zeigt, methodisch lernfähig. Es bietet sich dann ein Phasenmodell an: Erst kritisieren, und wenn dies Zulauf gebracht hat, mit den Kritisierten zusammen regieren – aus staatspolitischer Verantwortung.

Sebastian Fischer, Kanzlermacherhelfer. – »Guttenberg tritt an zum Kanzlertest«, betitelten Sie Ihre Auslassungen in Spiegel Online. Gelinge dem CSU-Mann die Umwandlung der Bundeswehr in eine zwar kleinere, aber schlagkräftige Berufsarmee für Auslandseinsätze (laut Grundgesetz darf sie nur der Verteidigung Deutschlands dienen, aber diesen Vorhalt machten Sie nicht), dann habe er seine Eignung zum Kanzler bewiesen. Bei Ihrer Lobhudelei versäumten Sie, darauf hinzuweisen, daß der Minister in den USA unter Henry Kissingers Aufsicht zum Karrierepolitiker aufgebaut und zugleich zum absolut zuverlässigen »Atlantiker« abgerichtet worden ist. Daß »unser Gutti«, wie ihn die Boulevardpresse inzwischen nennt, Zutritt zum Gral der Bilderberger hat, war Ihnen ebenfalls keine Erwähnung wert. Sie verschwendeten ferner keinen Gedanken darauf, weshalb die USA denn wohl Kanzlerin Merkels Tage plötzlich für gezählt und es für sinnvoll halten könnten, den Pomade-Freiherrn für die nächste Kanzlerschaft aufzuschminken zu lassen: weil Deutschland auch fürs nächste Jahrzehnt und länger als Europas Leithammel dienen soll. Denn Washington betrachtet uns Deutsche, die wir politisch gefügsamer sind als Franzosen und Briten, ohnehin als stärkste Verbündete. Drum feiern journalistische Steigbügelhalter wie Sie den glatten fränkischen Adligen mit dem lackierten Image als politischen »Shooting-Star«, der uns demnächst anführen soll. Tiefer hätten Sie Ihren Bückling vor diesem Kandidaten von Washingtons Gnaden nicht machen können, ohne vornüber auf die Nase zu fallen.

Joseph Fischer, ehemaliger Bundesaußenminister. – Ein Gutachten über die Nazi-Geschichte des Auswärtigen Amtes, von Ihnen 60 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes in Auftrag gegeben, liegt nun vor und findet Aufmerksamkeit. Nun müßte Ihre Anstifter-Rolle bei Kriegsverbrechen der jüngeren Geschichte (zum Beispiel in Jugoslawien) untersucht werden. Wir fürchten, daß wir noch lange warten müssen, bis auch Ihre todbringenden Aktivitäten vor und während des Irak-Krieges und Ihr Treiben nach den Terroranschlägen vom 11. September sowie Ihr Tun vor und während des Afghanistan-Krieges vollständig offengelegt werden. Otto Köhler, Ossietzky-Mitherausgeber, scherzte in einem Beitrag für die junge Welt: »Joseph Fischer, der ehemalige Außenminister, hängt längst im Auswärtigen Amt. Ob er aber richtig hängt, das ist die Frage.« Selbstverständlich sollen die Bilder aller vormaligen Außenminister im Berliner Prachtbau am Werderschen Markt hängen – aber bitte ergänzt um Zusatzinformationen über Taten und Untaten, vorzugsweise im Multimedia-Format. Ihr Konterfei wäre dann unter anderem mit Videos vom Angriff auf die Brücke von Varvarin sowie mit Dokumentarmaterial über den verheerenden Einsatz von uranhaltiger Munition in Jugoslawien zu versehen. Zudem müßten Ihre Kriegstreiberei, Ihre Desinformations- und Wühlarbeit und die von Ihnen geduldeten, wenn nicht gar veranlaßten Missetaten des Bundesnachrichtendienstes im Ausland dargestellt werden. Daraus wäre sicher viel zu lernen.

Klaus Kleber, heute-journal. –.
»Es kommt nicht oft vor, daß der Bundesfinanzminister bei uns in der Redaktion anrufen läßt, um auszurichten, daß er, wenn wir wollen, eine Anfrage für ein Interview mit einem ›gerne, ja‹, beantworten würde.« So tun Sie kund, daß das ZDF und Sie sofort spuren, wenn ein Bundesminister pfeift: Offenbar meinen Sie, daß es das ZDF und dessen Moderator aufwertet, wenn sie einen Minister präsentieren können, selbst wenn der nur kalten Kaffee anbietet. Ihr ARD-Kollege Tom Buhrow verschwieg, daß auch sein inhaltsgleiches Schäuble-Interview für die Tagesthemen eine abgesprochene Auftragsarbeit war. Da nach jüngsten Steuerschätzungen die Neuverschuldung in den beiden kommenden Jahren vielleicht um 61 Milliarden Euro geringer bleiben wird als befürchtet, wollte Schäuble rechtzeitig mit einem neuerlichen »Mir gäbet nix« klarstellen, daß er seine unsoziale Politik fortsetzen wird. So durfte ein gläubiges Millionenpublikum erleben, wie beide öffentlich-rechtlichen Anstalten binnen einer halben Stunde die gleiche Billigware aus dem Berliner Devotionalienladen lieferten.