Mehr als zwei Jahre sind seit dem Massaker von Kundus vergangen, dem bis zu 142 Menschen, vorwiegend Zivilisten, zum Opfer fielen. Doch Oberst Georg Klein, der den Mordbefehl (»Vernichten!«) gab, erfreut sich bei Staat und Militär zunehmender Beliebtheit. Ein Disziplinarverfahren der Bundeswehr wurde unter großem Jubel (»Freispruch erster Klasse!«) sehr schnell abgeschlossen. Auch die Bundesanwaltschaft fand an dem Hinmorden unschuldiger Menschen nichts Strafwürdiges – das Handeln des Obersten sei »rechtmäßig« gewesen. Und Ende Oktober hat der Kundus-Untersuchungsausschuß des Bundestages in aller Stille seine Ermittlungen eingestellt und Klein wie auch die Bundesregierung entlastet.
Leidtragende Hinterbliebene wie Ex-General Wolfgang Schneiderhahn tingeln jetzt durchs Land. »Wenn etwas schiefgeht, rollt die Empörungsmaschinerie über die Streitkräfte hinweg«, empörte er sich am 28. Oktober vor den fanatisierten Mitgliedern der Reservistenkameradschaft auf Schloß Steinfurt (Hausherr und Ehrenmitglied Christian Fürst zu Bentheim und Steinfurt war auch dabei). Schneiderhahn war zur Tatzeit der Generalinspekteur mit der längsten Amtszeit. Ihm war egal, wer unter ihm als – vier hat er überlebt – Verteidigungsminister diente. Bis er auf den größenwahnsinnigen Freiherrn und Plagiator traf. Von Guttenberg entließ ihn und seinen Komplizen, den Staatssekretär Peter Wichert, kurzerhand im Zusammenhang mit der Vertuschung des Kundus-Massakers. Vor dem Bundestaguntersuchungsausschuß – nunmehr außer Dienst – machte der General seiner Wut Luft, daß die Mordaktion an die Öffentlichkeit gekommen war, nur weil der geheime Feldjäger-Bericht in der Bild-Redaktion landete. Schneiderhahn laut Zeit: Wer das war, wisse er nicht, aber sie hätten »ihr Ziel erreicht: ein Generalinspekteur, ein Staatssekretär, ein Minister«. Den Taliban hätte man dadurch »eine Freude gemacht. Ich hoffe, daß man im Verteidigungsministerium mit größter Energie versucht herauszufinden, wer diesen ungeheuerlichen Vorgang zu verantworten hat.«
Doch dann riß der General sich zusammen und beschrieb die »Komplexität« der neuen Aufgaben für die Bundeswehr, vermeldet Die Zeit. In asymmetrischen Kriegen sei es sehr schwer, zwischen Kämpfern und Zivilisten zu unterscheiden. Er sprach von der »Unübersichtlichkeit auf neuen Kampfschauplätzen«. Denn: »Wer will heute aufklären, welcher Landarbeiter sich für einen Dollar als Terrorist betätigen wird?«, fragte Schneiderhahn.
Das ist genau die Argumentation der Naziwehrmacht, mit der sie ihre Massenmordaktionen im Osten, aber auch in Griechenland und Italien begründete – man könne ja zwischen Partisanen und harmlosen Bauern nicht unterscheiden. In Nürnberg wurden Generale und Offiziere, die solche Massaker kommandierten, gehängt. Dem Obersten Klein aber geht es in diesem Land sehr gut.