Seit einigen Jahren ist Deutschland wieder im Krieg, man merkt es sogar im Theater. Das Deutsche Theater in Göttingen führt mit Erfolg und großer Resonanz das Stück »Soldaten – Ein szenisch-musikalischer Einsatzbericht« auf. Anhand von Interviews mit aktiven und ehemaligen Soldaten der Bundeswehr haben Anna Gerhards, Julia Roesler und Isabelle Stolzenburg ein überwiegend monologisches Drama über die Eindrücke und Erlebnisse deutscher Soldaten während und nach Auslandseinsätzen zusammengestellt. Fünf Darsteller lassen die Zuschauer erfahren, was »unsere« Soldaten in Afghanistan so erleben, wie es im Kosovo, in Bosnien, Somalia oder im Irak war und wie sie sich fühlen, wenn sie zurückkommen.
Gespielt wird in einem alten Magazin der Saline Luisenhall in Göttingen, einem Ort mit besonderer Atmosphäre. Die Zuschauer sitzen um eine Art Manege herum, in der Tausende von Patronenhülsen liegen, auf denen und um die herum agiert wird. Die schauspielerischen Leistungen wie auch Inszenierung und Bühnenbild überzeugen, so daß die Zuschauer in deren Bann gezogen werden, mitleidig und verwundert oder auch zunehmend widerwillig. Nahegelegen hätte es bei dieser Thematik, Tucholskys Ausspruch »Soldaten sind Mörder« zu bedenken. Daß dies verabsäumt wurde, ist ein gravierender Mangel des Stücks.
Wer Soldat wird, sich zum Töten ausbilden läßt und freiwillig zu einem Auslandseinsatz meldet – aus welchen Gründen auch immer –, muß sich nicht wundern, wenn er in Situationen gerät, in denen Menschen verletzt oder getötet werden. Letzteres trifft vor allem die Zivilbevölkerung, was aber nur beiläufig erwähnt wird. Für die weitaus überwiegende Zahl der jungen Männer kommt es nachweislich überhaupt nicht zu einer sogenannten Feindberührung. Und wer es in der Ferne knallen gehört oder vielleicht einmal einem verwundeten Kameraden Erste Hilfe geleistet hat, muß nach seiner Rückkehr nicht gleich arbeitsunfähig für das ganze Leben sein oder Rente beziehen wollen. Was sollen dann die Sanitäter sagen, die tagtäglich Dienst an deutschen Autobahnen tun?
Darin besteht der Mangel des Stücks: Statt auf Nachdenklichkeit, wird auf Empathie abgezielt, statt Mitleid entsteht bei einem bewußten und nicht unkritischen Zuschauer Verärgerung über die permanente Selbstbespiegelung. Zugespitzt läßt sich sagen, daß letztlich alles auf eine selbstmitleidige sadomasochistisch anmutende Macho-Hudelei hinausläuft, denn es fehlt an Reflexion und einem Gegenpart zu der Agitation der Soldaten-Darsteller.
Berufssoldaten dürfte es leicht fallen, sich mit dem Stück zu identifizieren. Ein General – so war zu hören – soll sich recht positiv geäußert haben. Das aber kann nicht Sinn von politischem Theater sein. Oder haben sich die Paradigmen in letzter Zeit so sehr verändert? »Soldaten sind Mörder«, sagte Tucholsky. Natürlich sind sie auch Menschen, doch das vergessen sie nicht selten selber, wie sich in der Realität leider allzu oft zeigt. Besonders problematisch ist der Schlußsatz: »Irgendjemand muß es ja machen. Es können sich ja nicht alle drücken.« Es fehlt die Frage nach dem Warum?