erstellt mit easyCMS
Titel2311

Die Hölle  (Bernhard Spring)

Zwischen Studium und ersten Arbeitsplatz fällt bei mir glücklicherweise nur ein Monat. Als Optimist, der noch an die Rente glaubt und sich bis dahin vorbildlich verhalten will, suche ich erstmals in meinem Leben das Arbeitsamt auf, um mich für diesen einen Monat arbeitslos zu melden. Das heißt erst einmal Schlangestehen am Empfang. Es riecht leicht nach Zigarette, sehr nach Mensch, aber gut. Ich bin ja nur das eine Mal hier.

Schließlich komme ich an die Reihe. Ja, fragt die Dame hinter dem Tresen, was wolle ich nun: mich arbeitslos oder arbeitssuchend melden? Ich druckse herum. Bislang hatte ich immer gedacht, daß »arbeitssuchend« der modernere Begriff für »arbeitslos« sei. Aber die Behörden haben tausend Fachbegriffe.

Inzwischen redet die Dame auf mich ein. Sie selbst sei auch ein Jahr lang nicht gemeldet gewesen; das störe niemanden. Ob es sinnvoll ist, sich trotzdem zu melden? Naja, sagt sie, viele machen es. Aber bringt es etwas? Ein Achselzucken. Nicht gerade die beste Beratung, aber dann zieht sie eine kleine Karte und meint, ich könne mich telefonisch registrieren lassen – das spare Wartezeiten. »Da oben ist nämlich die Hölle los.«

Auf ihre Empfehlung gehe ich zum Berufsinformationszentrum, wo man kostenlos telefonieren kann. Das Kleingedruckte auf dem Kärtchen verrät, daß der Anruf fast vier Cent pro Minute kostet.

Ich wähle die Nummer – und wähle sie noch einmal. Ich muß mich vertippt haben, die Leitung ist still. Auch beim zweiten Mal. Erst nach einer ganzen Weile meldet sich eine Automatenstimme und heißt mich bei der Arbeitsagentur willkommen. Dann wieder nichts. Ewigkeiten nichts. Schließlich darf ich zwischen Taste 1, 5 und 8 wählen und lande in einer Warteschleife. Hier höre ich Sprüche wie »Die nächste freie Leitung ist für Sie reserviert« und »Wenn es Ihnen zu lange dauern sollte, rufen Sie einfach zu einem späteren Zeitpunkt wieder an«. Ich warte. Und tatsächlich ertönt doch noch eine menschliche Stimme. Ja, das geht in Ordnung, sagt die Frau, nachdem ich ihr meinen Fall umrissen habe. Noch einmal den Namen bitte, das Geburtsdatum, alles klar. Den Rest nimmt ein Kollege auf. Und ehe ich protestieren kann, lande ich wieder in einer Warteschleife. Diesmal höre ich eine Männerstimme. Aha, aha, bemerkt er zu meinem Fall, dann meint er, ich müsse mich persönlich anmelden. Weil ich ja zum ersten Mal in der Agentur bin. Also noch einmal zum Empfang, dann hoch in die Hölle. Ich frage den unbekannten Herrn, ob es normal sei, daß mich zwei von drei Mitarbeitern falsch beraten haben. Er erklärt mir, es gebe einen Unterschied zwischen Mitarbeitern und Assistenten, außerdem hätte ich mich vielleicht unverständlich ausgedrückt.

Ich lege entnervt auf und hoffe nur, mich ohne Arbeitsagentur besser in die Rente retten zu können.