Unser Kriegsminister Thomas de Maizière ist ein peinlicher Verwandter des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, ein echter Sohn des Hitler-Generals und Bundeswehrgeneralinspekteurs Ulrich de Maizière und ein unverfälschtes Produkt des Panzergrenadierbataillons 142 in Koblenz. Diesem genuinen Wessi gelang es, 1990 die DDR-Verhandlungskommission für den sogenannten Einigungsvertrag als »Berater« zu unterwandern und dann – als der Anschluß vollzogen war – als Staatssekretär und als Minister in Schwerin und Dresden, zuletzt sogar als stilbildender Innenminister des Nazifreistaats Sachsen zu wirken, bevor er als Kanzleramtschef und Bundesinnenminister bis 2011 mit wiederholten Warnungen vor Taliban-Anschlägen in der Bundesrepublik sich als Verteidigungsminister qualifizierte.
Jetzt unternimmt er alles, um den Krieg, der für seinen Vorgänger zuallererst eine Umgangssprachlichkeit war, mit Worten und Taten in die Mitte der Gesellschaft zu holen. So eindringlich und effektiv, daß wir alle uns noch nach den Zeiten zurücksehnen werden, in denen ein strammer, aber erfreulich unfähiger Hochstapler und Plagiator wie Karl-Theodor zu Guttenberg im Verteidigungsministerium saß. Der Nachfolger – das hat sich schnell herausgestellt – ist fähig. Er setzt alles daran, die ganze deutsche Gesellschaft – wieder kriegsfähig zu machen. Und er verfügt über eine Sprache, die jeder sofort versteht.
Er weiß: Vor der Auflösung der Nationalen Volksarmee und der Gorbatschowisierung des Ostblocks war das Konzept der Bundeswehr die »Abschreckung«: »Ein Waffengang wäre zum Symbol für das Versagen der Politik geworden. Die Soldaten der Bundeswehr mußten kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.« Heute aber, so sprach de Maizière am 6. Juli im Militärhistorischen Museum Dresden (Vortragstitel »Die Bundeswehr im Dialog mit der deutschen Gesellschaft«) »können und müssen wir sagen: Ein Soldat der Bundeswehr muß kämpfen können, um im Gefecht zu bestehen, um nicht sterben zu müssen. Das ist etwas fundamental anderes.«
Und natürlich wird gestorben. Deutsche Soldaten dürfen sogar wieder – die bewährte Denomination hat bereits der Baron zu Guttenberg wiedereingeführt – fallen, einschließlich Fahne um den Sarg und Erweiterung des Berliner Ehrenmals um ihren Namen. Und auch Versorgung der Witwe, falls die ihre Trauer stolz trägt. So findet der – um was auch immer – kämpfende deutsche Soldat seinen Platz überall auf der Welt.
Der Minister hat im Gegensatz zum Bundespräsidenten erlebt, daß die Angehörigen der Bundeswehr, anders als die Gesellschaft, der sie dienen, nicht »glücksüchtig« seien. Er will bei der »Nachwuchsgewinnung« die Illusion vermeiden, die Bundeswehr könne »ein Leben wie auf dem Ponyhof« bieten. Das wäre in der Tat unwürdig. Denn das Pony ist – wie der Duden lehrt – das Pferd einer »kleinen Rasse«. Der deutsche Soldat ist das nicht.
Und wird es nie sein. Dafür hat de Maizière mit einer überzeugenden Grundsatzentscheidung gesorgt. Er hat mit Wirkung vom Frühjahr nächsten Jahres den bewährten Obersten Georg Klein zum General erhoben und – das ist entscheidend – zwecks »Neuausrichtung der Bundeswehr« zum Abteilungsleiter im neuen Bundesamt für Personalmanagement ernannt. Unter Hinweis darauf, daß Oberst Klein wegen seines Massakers an weit über hundert Menschen in der öffentlichen Diskussion gestanden habe, betonte der Sprecher des Verteidigungsministers ausdrücklich, Klein sei für die künftige Tätigkeit »gut geeignet« und erfülle alle fachlichen Voraussetzungen. Das ist richtig, worauf immer die so beschriebene »Neuausrichtung« der Bundeswehr zielen mag: auf Massentötung, Massakern an unbeteiligten Zivilisten? Sicherlich nicht mehr auf Brunnenbohren. Wie auch immer. Dieser Minister blieb völlig unbeeindruckbar, als Mitte Oktober bei Anne Will in der ARD sein Parteifreund Jürgen Todenhöfer an ihn appellierte: »Ich erwarte von Ihnen persönlich, daß Sie als erstes Mitglied des Kabinetts zu diesen Menschen in Kundus hingehen, mit Ihnen einmal über ihr Leid sprechen. Zweitens, daß Sie sich bei diesen Angehörigen, für die Menschen, die durch einen militärisch nicht angemessenen Schlag – ich zitiere jetzt den Verteidigungsminister [zu Guttenberg; O.K.] – getötet wurden, entschuldigen. Und drittens, daß Sie die Beförderung des Mannes, der den militärisch nicht angemessenen Befehl gegeben hat, hundert Menschen letztlich zu töten, daß Sie die Beförderung dieses Mannes vom Obersten zum General rückgängig machen. Wenn wir einen Mann, der hundert unschuldige Menschen getötet hat, mehr sogar, vom Obersten zum General machen, verhöhnen wir die Opfer in Afghanistan, dann dürfen Sie gar nichts mehr sagen über Menschlichkeit in Afghanistan.«
Doch der Minister hatte in der Talkshow seine Antwort schon kurz vorher mit einem Lächeln gegeben: »Also daß Soldaten Mörder sind, wird kaum noch vorgetragen. Diese Mörderdebatte haben wir seit vielen Jahren hinter uns.«
Und er wußte nach Todenhöfers Appell an seine etwaige Resthumanität nur die eine Antwort: »Ich habe diese Beförderung selbst entschieden.«
Gut, dann muß er es wissen. Solange der angehende General Klein Chef des Personalmanagements der Bundeswehr sein wird, kann die Mörderdebatte schon nicht ein Ende nehmen. »Soldaten sind Mörder«, hat Tucholsky gesagt – er wurde vom Reichsgericht freigesprochen. Und ein Oberst ist auch ein Soldat, selbst wenn er von diesem Verteidigungsminister zum General ernannt wurde.