Bernd war, wie ich, Soldat. Nur früher, denn während des Zweiten Weltkriegs diente er in Hitlers Wehrmacht. Wie er erzählte, tat er dies voller Enthusiasmus und Kampfgeist – durchdrungen hiervon marschierte er einmal nach Moskau und zurück.
Jede Menge Beförderungen – in der englischen Kriegsgefangenschaft wurde er schlußendlich noch in den Offiziersstand erhoben. Sogar für die Nationalpolitische Lehranstalt (Napola) war er auserkoren, von dort aber als politisch nicht gefestigt genug schnell wieder zur Frontbewährung abkommandiert worden. Jede Menge Verwundungen – zuletzt als Panzerartillerist in Italien wäre er an einem schweren Bauchschuß fast krepiert, ein Feldchirurg rettete ihm das Leben. Jede Menge Orden – die hat er dann im libyschen Gefangenenlager an seine britischen Bewacher verkloppt, nachdem er dort, wie er berichtete, so nach und nach begriffen hatte, welch verbrecherisch-idiotischem System er auf den Leim gegangen war. Das Geschehene ließ ihn nie wieder los, wurde zum Wendepunkt in seiner Biographie und zum bestimmenden Faktor seines beruflichen Wirkens als Journalist. Die Erkenntnis »Nie wieder Krieg!« war ihm Verpflichtung und Antrieb bis ans Ende seines Lebens.
Hat er zunächst für die falsche Sache gekämpft, so tat er’s später umso entschlossener für die richtige. Den Grundstein hierfür legte er in England, das ihm im Rahmen der »Re-Education« ein Angebot für eine solide Ausbildung gemacht hatte, das er nicht ablehnen konnte (und wollte).
Zurück von der Insel hatte er dann nicht nur das akademisch-intellektuelle Handwerkszeug, sondern auch eine Ehefrau »im Gepäck«. In der jungen Bundesrepublik begann er, journalistisch zu arbeiten, für BBC, NDR, ARD, gehörte zur Gründergeneration des Politmagazins »Panorama« und hob später mit seinem engen Freund Karl-Heinz Harenberg die nun schon Jahrzehnte über den Äther gehende Hörfunksendung »Streitkräfte und Strategien« aus der Taufe.
Die äußerst hitzig geführte Wiederbewaffnungsdebatte forderte ihn heraus, ließ ihn sich zu einem skrupulösen, unbestechlichen, nimmermüden Beobachter, Analysten und Berichterstatter über das neue deutsche Militär entwickeln. Von Anfang an faszinierte ihn die Konzeption der »Inneren Führung« mit ihrem Leitbild vom »Staatsbürger in Uniform«, die der General, Militärphilosoph und Friedensforscher Wolf Graf von Baudissin als eine revolutionäre Abkehr vom Militarismus der Vergangenheit formuliert hatte. Mit dem Grafen war er geistig eng verbunden, jener überreichte ihm »in Komplizenschaft« sein Buch »Soldat für den Frieden« und versah sein nachfolgendes Werk, das den programmatischen Titel »Nie wieder Sieg!« trug, mit der Widmung: »Bernd C. Hesslein in dank-barer Verbundenheit für wertvolle Unterstützung und Mahnung«.
Hesslein (s. auch Ossietzky 22/12) kämpfte rastlos gegen jene bornierten, dumpf-militaristischen Wehrmachtstraditionalisten, die anstelle einer demokratischen Bundeswehr von einer »optimierten Wehrmacht« träumten. Ein schmales rororo-Bändchen mit dem Titel »Die unbewältigte Vergangenheit der Bundeswehr«, das er mit fünf vom Geiste Baudissins erfüllten Offizieren herausgab, zeugt von seinem entschlossenen Eintreten für die Militärreform – an Aktualität hat es auch mehr als dreißig Jahre nach Erscheinen nichts verloren.
Ziemlich sicher hätte Hesslein das Ansinnen abgelehnt, so wie nach Baudissin, auch nach ihm selbst eine Bundeswehrkaserne zu benennen – verdient aber hätte er es allemal. Es vermag wohl auch niemanden zu überraschen, daß Bernd C. Hesslein ein strikter Gegner des fatalen Kurses (angriffs-)kriegerischer Interventionen war, auf den die Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges von verantwortungslos-bellizistischen Politikern im »Wir-sind-wieder-wer-Berlin« getrimmt worden war. Für ihn gab es keinerlei Zweifel an Gustav Heinemanns mahnendem Wort vom »Ernstfall Frieden« und auch kein Abrücken von der damit eng korrespondierenden Idee der »Inneren Führung«, welche die Streitkräfte menschenrechtskompatibel, demokratiekompatibel und friedenskompatibel gestalten sollte – und genau das verbindet uns beide, ihn und mich, zutiefst, auch über seinen Tod hinaus.
Jürgen Rose war Oberstleutnant im Dienste der Bundeswehr und ist Vorstandsmitglied im »Darmstädter Signal«.