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Eutelsat-Maulkorb auf US-Befehl  (Volker Bräutigam)

Schon bemerkt? Das Programm Press TV können Sie seit 15. Oktober nicht mehr auf Ihrer Wunderlampe im Wohnzimmer ansehen. Eutelsat SA, drittgrößter Satellitenanbieter weltweit, hat auf seinem Satelliten »Hotbird« die 19 Kanäle des Iran gesperrt. Press TV können Sie derzeit nur in Schnipseln via Internet empfangen. Wie lange noch? Unsere Regierenden wissen, wie widerstandslos das Abschalten funktioniert.
Das US-Imperium wünschte Teherans Fernseh- und Rundfunksendungen im Ausland abzuwürgen, jenen die Stimme zu nehmen, die sich eh kaum Gehör verschaffen können. Dazu brauchte es die Mittäterschaft der Europäischen Union, denn »Hotbird« gehört dem europäischen Satellitenbetreiber Eutelsat SA.
Washingtons Wünsche sind Europa Befehl. Brüssel nickte ab, und Eutelsat sperrte Irans (englischsprachige) Programme Press TV, al-Alam, Jam-e-Jam 1 und 2, Sahar 1 und 2, Islamic Republic of Iran News Network, Quran TV und das al-Kawthar (arabisch). Betroffen sind weiterhin mehrere iranische Radiosender.
Der US-amerikanischen Regierung hatte mißfallen, daß ihr Geschwalle über angebliche iranische Atommachtträume auf reelle Gegeninformation aus Teheran stieß. Eutelsat zog aus reinem Geschäftsinteresse den Stecker: Die Amis sind wichtiger als die Mullahs. Profitmache ist der Wesenskern kommerzieller Medien, und die Verblödung des Bürgers politisch willkommener Nebeneffekt der privatisierten Informationswelt. Neben Millionen Zuschauern sind auch ungezählte Medienschaffende, Techniker und Zulieferer von der Sperre betroffen.
Was den Friedensnobelpreisträger in Washington treibt, wissen wir. Eutelsat? Das Unternehmen präsentiert sich selbst in bemerkenswertem Deutsch auf seiner Internetseite: »Eutelsat Communications befindet sich mit seiner Fähigkeit, Menschen weltweit den Informationszugang über Breitbandeinrichtungen zu ermöglichen, am Herzen der digitalen Wirtschaft, dort wo sich Telekommunikation, audiovisuelle Industrie und Raum vereinigen. Die Dienstqualität ist durch die aktive (29 Satelliten) garantiert ... Eutelsat betreibt 20 Positionen im geo-stationären Satellitenorbit, die Europa, den Mittleren Osten, Afrika sowie große Teile Asiens sowie von Nord- und Südamerika abdecken.«
Eutelsat SA verbreitet 4.250 digitale Fernseh- und 1.100 Radio-Programme. Das Unternehmen beliefert 204 Millionen Haushalte weltweit und realisiert sämtliche Funk- und Breitbanddienste Frankreichs und Italiens im Sendebereich seiner Satelliten. Jahresumsatz 1,22 Milliarden Euro. Wichtigste Führungsfiguren dieser Kommunikationskrake:
Jean-Martin Folz. Boß der Bosse, französischer Multimillionär. Vormals Vorstandsvorsitzender des Automobilkonzerns Peugeot-Citroën.
Michel de Rosen. Französischer Manager. Nebenher Vorstandsvorsitzender diverser Pharmakonzerne, unter anderem des Multis Sanofi-Aventis (Gentechnik), verflochten mit der deutschen Hoechst AG.
Lord John Birt. Einst Direktor der BBC, dann zum Strategieberater des Premierministers Tony Blair verkommen und geadelt. 2004 – Drehtür-Effekt – zurück in die Wirtschaft, Topmanager des Internet-Bezahlsystems PayPal.
Jean-Paul Brillaud. Vormals Vize-Direktor und Investmentchef der France Telecom.
Thomas Devedjian. Ex-Berater des französischen Präsidenten Sarkozy, eingebunden in ein Systems von Vetternwirtschaft. Vertritt im Eutelsat-Vorstand den Fonds Stratégique d'Investissement (FSI). Ein Hedgefonds – eine Heuschrecke.
Bertrand Mabille. Chef des Konzerns Carlson Wagonlit Travel CWT en France, globaler Individualreiseveranstalter. Realisator der Reise- und Transportbedürfnisse internationaler Firmen und großer »Events«.
Carole Piwnica. Geschäftsführende Direktorin des außerbörslich tätigen Geldhauses NAXOS Capital Partner, einer weiteren »Heuschrecke«.
Olivier Rozenfeld. Begann in New York als Investment-Banker bei Merryll-Lynch, später bei Goldman Sachs verantwortlich für Neuemissionen und »Derivate« zum Aufschminken faulster Kreditbriefe, mit denen weltweit Betrug begangen wurde.
Meine Aufzählung ist unvollständig, doch darf man von der ganzen Eutelsat-Runde sagen, daß sie mit dem Big Business und mit führenden Politikern in den USA, Großbritannien, Frankreich und Israel eng verbandelt ist. Diese Manager entscheiden über unseren Zugang zu Information? Fürwahr, wir Bürger der Europäischen Union leben in herrlichen Zeiten. Demokratisch und frei, freier geht es nicht. Damit wir das recht würdigen, zeigt uns die Europäische Union die Unfreiheit andernorts. Es sind ja »nur« Iraner, denen man den Maulkorb verpaßt.
Der Vorgang sollte uns alarmieren: Ein Land, das man bereits mit wirtschaftlichen Repressionen überzogen hat und bedroht, es demnächst militärisch fertigzumachen, beraubt man geschickt seiner Mittel, die Weltöffentlichkeit zu informieren und um Solidarität zu bitten. Auf US-Befehl blockieren europäische Konzernchefs und Finanzmogule zugleich unseren Zugang zu Gegeninformationen und damit zu Erkenntnissen. Das verlangt nach Protest. Zensur bleibt Zensur. Noch ist nicht bekannt, ob und von wem Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben wird. Von deutschen Gewerkschaften und Journalistenorganisationen? Der Bruch des Völkerrechts durch die Europäische Union ist nicht hinzunehmen.
Die Biographin Evelyn Beatrice Hall legte dem Aufklärer Voltaire den weltbekannten Satz in den Mund: »Ich mißbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.« So kennzeichnete die aufrechte Britin das Denken des großen Franzosen. Heute müssen wir erleben, wie französische und britische Geschäftemacher ungestraft das Menschenrecht der Rede- und Informationsfreiheit annullieren.