Die relativ kleine, im Jahr 2004 gegründete »ethecon – Stiftung / Ethik & Ökonomie« hat es in den vergangenen Jahren zu großem Ansehen gebracht. Sie stellt ihre StifterInnen, Fördermitglieder und SpenderInnen im Internet vor als Menschen, die sich engagieren, »weil sie nicht tatenlos zusehen wollen, wie grundlegende Prinzipien menschlicher Ethik angegriffen und mit Füßen getreten werden«, und die strikt verurteilen, »daß Profit zum einzigen Kriterium für das gesellschaftliche Leben und den Umgang mit der Umwelt wird und Gier zum ethisch universellen Prinzip«.
Seit sechs Jahren stiftet »ethecon« zwei Preise: den »Blue Planet Award« und den »Black Planet Award«. Ihre Stifter setzen bei der Ökonomie an, weil sie der Rahmen für gesellschaftliches und persönliches Handeln ist. Ziel ist die Durchsetzung ethischer Prinzipien, die Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung, Umweltzerstörung, Krieg und soziales Elend mit friedlichen Mitteln überwinden wollen.
Der »Blue Planet Award« und der »Black Planet Award« werden von den Stiftern als Einheit, als zwei Seiten der gleichen Medaille gesehen. »Beide zusammen spiegeln den Zustand unserer Welt und fordern zu Widerstand, Wandel und Engagement auf.« Zeichnet der »Blue Planet Award« den Einsatz für den Erhalt des »Blauen Planeten« aus und macht auf die drängenden Handlungsmöglichkeiten und Chancen aufmerksam, brandmarkt der »Black Planet Award« die Schändung und den Ruin des »Blauen Planeten« und verdeutlicht die Gefahr des Systemkollapses und der Katastrophe, die einen »Schwarzen Planeten« heraufbeschwört. Das ist zunächst nichts weiter als gut gemeinte Symbolpolitik. Doch sie nimmt Gestalt an durch die Verleihung der Preise an Persönlichkeiten, die sich durch systemkritisch-eingreifendes Denken und Handeln weltweit einen Namen gemacht haben: Diane Wilson/USA (2006), Vandana Shiva/Indien (2007), José Abreu und Hugo Chávez/Venezuela (2008), Uri Avnery/Israel (2009), Elias Bierdel/Österreich (2010) sowie Angela Davis/USA (2011).
In diesem Jahr ist es Jean Ziegler, der für sein Lebenswerk geehrt wird, aber auch für sein jüngstes Buch, das inzwischen in deutscher Übersetzung von Hainer Kober unter dem Titel »Wir lassen sie verhungern – Die Massenvernichtung in der Dritten Welt« vorliegt.
Die »ethecon«-Negativ-Preise, die als öffentliche Schmähungen von Konzernmanagern und AktionärInnen die Kehrseite der Medaille bilden, sind Anklagen gegen vermeintliche Vorzeigeunternehmen kapitalistischer Demokratien. Denn sie gehören zu den brutalsten Ausbeutungs-, Natur- und Demokratiezerstörungsmaschinen. An den symbolischen Pranger wurden bisher die Konzerne Monsanto/USA (2006), Nestlé/Schweiz (2007), Blackwater (Xe)/USA (2008), Formosa Plastics Group/Taiwan (2009), BP/Großbritannien (2010) und der Atomkraftproduzent Tepco/Japan (2011) gestellt.
In diesem Jahr geht der »Black-Planet Award« an die leitenden Manager und Großaktionäre des Schweizer Glencore-Konzerns: Ivan Glasenberg (Geschäftsführer), Simon Murray (Verwaltungsratspräsident) und Tony Hayward (Komitee für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit).
Die geschmähten Manager und Großaktionäre leiten den weltweit größten Rohstoffkonzern. Er wies im Jahr 2010 einen Umsatz von 145 Milliarden US-Dollar aus und ist damit der größte Schweizer Konzern. Die sechs leitenden Glencore-Manager haben, wie der Schweizer Gewerkschaftsbund in einem Artikel im Juni berichtete, mit dem Börsengang des Konzerns mehr Geld eingestrichen, als die Gesamtbevölkerung der 96 ärmsten Länder in einem Jahr verdient. Derzeit beabsichtigt das Management, Glencore mit dem Minenbetreiber Xstrata zu fusionieren. »Bei einer Untersuchung der 120 größten europäischen Aktiengesellschaften in Bezug auf ›Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Transparenz‹ kam Glencore« laut ARD-Fernsehmagazin Monitor »auf den letzten Platz«. Daß der Konzern außerdem wegen Steuerhinterziehung, Korruptionsvorwürfen, Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen von sich reden macht, verwundert nicht.
Wer also wäre für 2012 ein besserer Kandidat für den ethecon-Ehrenpreis als Jean Ziegler. In seinem neuen Buch zieht der emeritierte Soziologieprofessor der Universität Genf und der Pariser Sorbonne Bilanz seiner achtjährigen Arbeit als erster UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Heute ist er Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UNO-Menschenrechtsrats, Träger mehrerer Ehrendoktortitel und zahlreicher Preise, unter anderem des Internationalen Literaturpreises für Menschenrechte. Schon zweimal habe ich es geschafft, ihn auf die Kandidatenliste der Friedensnobelpreisträger zu plazieren. Daß er diesen Preis längst verdient hätte, zweifelt also nicht einmal das Nobelkomitee an. Daß er ihn bekommen wird, ist jedoch derzeit angesichts der Preisverleihungen an US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama und die EU kaum vorstellbar.
Umso verdienstvoller ist die Verleihung des Ehrenpreises einer »Stiftung von unten«. Und dies für einen Sozialwissenschaftler, Politiker, Menschenrechtler, der seine Stimme immer wieder mutig gegen die Verantwortlichen der Ökonomie einer »kannibalischen Weltordnung« erhebt. Den Vorwurf der Einseitigkeit und der Polemik nicht scheuend, ergreift er Partei für die Opfer der vor keinem Verbrechen zurückschreckenden Wirtschaftseliten.
Die öffentliche Preisverleihung findet am 17. November im Berliner Pfefferwerk statt. Der Eintritt ist frei, Anmeldung unerläßlich. Die Laudatio auf Jean Ziegler hält Hans See. Das Thema der Veranstaltung lautet: »Ausverkauf öffentlicher Güter (Public Private Partnership)«. Näheres unter: www.ethecon.org.