Nun hat er es endlich einmal wieder in die Schlagzeilen geschafft, der Ex-Pfarrer aus Niederndodeleben Markus Meckel, der sich noch immer als »letzten Außenminister DDR« bezeichnen läßt. Meckel war lediglich vier Monate lang Außenminister einer Übergaberegierung von Kohls Gnaden. Nicht zufällig erhielt er vom Chef des Auswärtigen Amtes Hans-Dietrich Genscher in dessen Privathaus die ersten Instruktionen. Bekannt wurde Meckel vor allem durch die Rekrutierung von Freunden und Verwandten in den engeren Kreis seiner Mitarbeiter, was ihm den Vorwurf einbrachte, aus dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der untergehenden DDR ein »Familienministerium« gemacht zu haben. Nicht zuletzt trug dazu bei, daß er seinen Bruder Hans-Martin Meckel zum Personalchef des Ministeriums ernannte. Dessenungeachtet gilt er als ein ausgemachter DDR-Experte. So war es folgerichtig, daß er Ratsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur wurde und immer noch ist. Wie objektiv und ausgewogen er auch in dieser Funktion zu urteilen weiß, stellte er wieder und wieder unter Beweis, so auch mit folgenden brillanten Worten: »Die SED und das von ihr aufgerichtete diktatorische System machte das Land kaputt und die dort lebenden Menschen mehr und mehr zu Knechten.« Leider ist diese überaus zutreffende Einschätzung nicht häufig genug zitiert worden.
Aber wie gesagt, jetzt war wieder einmal von ihm zu hören. Seit Mitte Oktober ist Meckel Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Nun kann er stolz und glücklich sein, denn schon immer waren die in der Präambel der Satzung des Volksbundes fixierten Ziele, die »Verständigung unter den Völkern« und die »Förderung und Erhaltung des Friedens«, angeblich Grundmaximen seines eigenen Denkens und Handelns. Aber bei weitem sind es nicht nur seine Erfahrungen als Kurzzeit-Außenminister, die ihn für das neue präsidiale Amt prädestiniert haben.
Von 1990 bis 2009 gehörte er dem Deutschen Bundestag und im selbigen dem Auswärtigen Ausschuß an. Hier scheute er weder Mühe noch Zeit, um seinen »inhaltlichen Schwerpunkten« gerecht zu werden, zu denen nach eigenem Bekunden unter anderem »die Beziehungen zu Polen und den anderen mittel- und osteuropäischen Ländern sowie zu Rußland, die Situation in den Balkanstaaten und im Kaukasus« gehörten. Ob er sich bereits in diesen Ländern um die Kriegsgräber kümmerte – immerhin starben hier im Zweiten Weltkrieg etwa drei Millionen Soldaten der Hitlerwehrmacht den Heldentod – ist nicht bekannt. Aber sein Wirken in einigen von der kommunistischen Tyrannei befreiten Staaten blieb nicht ohne Anerkennung. Das spiegelt sich allein schon in der erklecklichen Zahl von Auszeichnungen und Orden wider, mit denen er geehrt wurde: 1998 Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen, 2002 Orden des litauischen Großfürsten Gediminas, 2004 Orden des Marienland-Kreuzes 2. Klasse für die Verdienste um die Republik Estland, 2005 Kommandeur des Drei-Sterne-Ordens für die Verdienste um die Republik Lettland, 2007 Medaille des Verteidigungsministers der Republik Lettland »Für die Förderung des Beitritts zur NATO«, 2007 Ehrenplakette des bulgarischen Parlaments, 2008 Ehrenzeichen »Millenniumsstern Litauens«. Die Ehrungen werden ihm gewiß die Erfüllung seiner neuen Aufgaben an der Spitze des humanitären Volksbundes erleichtern.
Ob ihm auch sein geradezu unerschöpflicher Ideenreichtum helfen wird, ist dagegen fraglich. Gut erinnerlich ist sein Vorschlag, ausgerechnet in Polen ein »Zentrum für Vertreibungen« einzurichten. Die schroffe Ablehnung dieser Idee hinderte ihn nicht daran, noch vor seiner Wahl zum Präsidenten des Kriegsgräbervolksbundes ein »neues Denkmal für die gefallenen Bundeswehrsoldaten« an einem »zentralen Ort« zu fordern. Kreativer Höhepunkt war allerdings sein Vorschlag, die Neue Wache in Berlin, einst in der DDR »Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Militarismus« und von Helmut Kohl zur »Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft« gemacht, zum zentralen »Mahnmal für die Opfer des Kommunismus« umzuwidmen. Im Unterschied zu den Erinnerungsstätten für die Opfer der NS-Herrschaft, wie zum Beispiel das Holocaustdenkmal, gebe es heute keinen Ort, der »zentral an den Orten der Täter« an die zahlreichen Opfer des Kommunismus erinnere. Er sei, so Meckel, »überzeugt davon, daß eine Umwidmung der Neuen Wache die Denkmalstruktur in der Mitte Berlins bereichern würde«.
Bei der Verfolgung dieser und anderer Ideen zeigte Markus Meckel wenig Beharrlichkeit. Dagegen offenbart er in Fragen, die ihn unmittelbar betreffen, eine Charaktereigenschaft, die ihm in seinem neuen Amt zustatten kommen kann: Er verteidigt seine tatsächlichen, aber auch seine vorgeblichen Rechte mit einer wahrhaft kohlhaasischen Hartnäckigkeit. Das bewies er auch im bekannten zehn Jahre langen »Zaunlattenkrieg« mit seinen Nachbarn im Vierhäuserort Mahlendorf in der Uckermark, den nach Ostdeutschland Heimgekehrten derer von Arnim, in dem es um die Benutzung eines Bootssteges zum Nacktbaden, um zertrampelte Wiesen und eben um ein Zaunrundholz ging.
Auch sonst ist er nicht gerade ein Friedensengel. Vor der Freiheitsrevolution in der DDR sah das ein wenig anders aus. In Mecklenburg gründete er, damals war er noch Pfarrer, den »Friedenskreis Vipperow«, dessen Transparente die Losung schmückte: »Frieden schaffen auch der Welt der Schwachen«. Als späterer Bundestagsabgeordneter scherte ihn der Frieden der Schwachen schon weniger. Ohne Vorbehalt unterstützte er die brutale NATO-Aggression gegen die jugoslawische Föderation und gehörte folgerichtig zu den vom Internationalen Tribunal über den Krieg gegen Jugoslawien namentlich angeklagten SPD-Bundestagsabgeordneten. Nicht anders verhielt er sich, als es galt, die Bundesrepublik am Hindukusch zu verteidigen. Seine Position war laut Spiegel online eindeutig: »Gerade vor dem Hintergrund unserer Vergangenheit können wir uns nicht raushalten – egal ob beim Kosovo-Krieg oder beim Einsatz in Afghanistan.« Entschieden wies er in einem Interview im Deutschlandfunk die Forderung nach einem sofortigen Abzug der Bundeswehr zurück und sprach sich für eine Ausweitung des Mandats aus, damit die deutsche Truppe in Notfällen auch im Süden Afghanistans, »wo Kämpfe sind«, solidarisch ist: »Wir können niemand im Regen stehen lassen von unseren Verbündeten.« Angesichts eines solch konsequenten Eintretens für den Frieden der Schwachen ist es nicht verwunderlich, daß er die deutsche Enthaltung zum Libyen-Einsatz im Sicherheitsrat kritisierte.
Mit einer solchen Haltung trägt das Multitalent dazu bei, daß dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem er nun vorsteht, die Arbeit nicht ausgeht. Wäre man bösartig, dann könnte man konstatieren, daß militärische Interventionen und Kriege unter deutscher Beteiligung nun für Meckel zu einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geworden sind. Aber das hat der »letzte Außenminister der DDR« nicht verdient.