In deutschen Städten wohnt und lebt eine Masse Menschen, es dürfte sich um eine wenigstens sechsstellige Zahl handeln, in Straßen und an Plätzen, die nach »Kriegstaten« und »Kriegshelden« benannt wurden. Den einen geschah das noch im Kaiserreich, anderen während der Weimarer Republik, dritten zu Zeiten der faschistischen Diktatur. Erinnert wird damit an Orte, an denen preußische und deutsche Armeen Schlachten schlugen, selbstverständlich nur an jene, in denen sie auch siegten. Derlei begann im 19. Jahrhundert, Straßen Berlins erhielten die Namen von Großbeeren und Dennewitz – brandenburgischer Orte, an denen 1813 napoleonische Truppen geschlagen wurden. Andere hießen nach dem schlesischen Flüßchen Katzbach und nach – das war für deutsche Zungen so leicht nicht auszusprechen und ging nicht fehlerfrei aus Schreibfedern – Belle Alliance und Waterloo. Aus dem Krieg gegen Dänemark 1864 bezogen die Düppelstraßen ihre Benennung und aus dem der Preußen gegen Österreich 1866 die vielen, die Königgrätz oder Sadowa oder Nachod heißen. Nach dem deutsch-französischen Krieg erhielten Wohnzeilen in erheblicher Zahl den Namen Sedan, der französischen Stadt, in deren Nähe die Hauptschlacht auf dem Wege nach Paris ausgetragen worden war und der Franzosenkaiser Napoleon III. in deutsche Gefangenschaft geriet. Als der Erste Weltkrieg verloren war, in dem die deutschen Soldaten angeblich im Felde unbesiegt geblieben waren, wurde es mit den Taufen nach Schlachtorten schwieriger und seltener. Jedoch besitzen die Bremer eine Verdun- und die Wiesbadener eine Flandernstraße, Namen, die hunderttausende Opfer der kriegführenden Parteien bezeichnen, jedoch keine deutschen Triumphe. Das tut das ostpreußische Tannenberg, und bis heute sind Straßen beispielsweise in Oberhausen, Gelsenkirchen, Leverkusen, Lübeck, Kirchheim unter Teck entsprechend benannt.
Ungezählt sind die Orte, deren Stadt- und Gemeinderäte nach 1918 beschlossen, Straßen nach Männern zu benennen, die schon während des Krieges als Helden gefeiert worden waren, um die Kriegsstimmung hochzuhalten und junge Burschen zum Nacheifern aufzufordern. Die Taufen dienten der Rechtfertigung und Verklärung des Krieges. Einen Spitzenplatz besetzte ein kaiserlicher Offizier, den die Kriegspropaganda augenblicklich zu einem Helden erhob: Otto Weddigen. Der U-Boot-Kommandant hatte im September 1914 drei alte britische Kreuzer versenkt, wobei 1.500 Soldaten den Tod fanden. Hochdekoriert und gefeiert ging der Kapitänleutnant im Jahr darauf mit der gesamten Besatzung von U29 unter. Darauf setzte ein regelrechter Weddigenkult ein: Reime wurden ihm gewidmet. Sein Konterfei und weitere Abbildungen fanden sich auf Ansichtskarten und selbst auf Bierkrügen. Noch heute tragen Straßen und Plätze in Städten, gelegen in den alten Bundesländern und im einstigen Berlin-West, seinen Namen.
Konkurrenz machten dem Mann im weiteren Kriegsverlauf die Offiziere der Luftwaffe, die damals so noch nicht hieß und Bestandteil des Heeres war. In Berlin-Tempelhof entstand ein ganzes »Fliegerviertel«, getauft auf Max Immelmann, der im Juni 1916 in Frankreich versehentlich von der eigenen Flugabwehr vom Himmel geholt worden war, auf Oswald Boelcke, dessen Leben im Oktober 1916 bei einem Absturz in Frankreich endete, und auf den Freiherrn Manfred von Richthofen, der auf definitiv nicht geklärte Weise ebenfalls über französischem Territorium mit seinem rot gestrichenen Dreidecker ab- und in den Tod stürzte. Nach diesem sofort nach dem Eintreffen der Todesnachricht im Reichstag zum Fliegerkönig und Nationalheros erklärten »Baron« wurden und sind bis heute Straßen in Augsburg, Regensburg, Münster und vielen weiteren Städten benannt. Zudem bezeichnen die Namen deutscher Fliegerhelden bis auf den Tag Kasernen der Bundeswehr sowie mehrere ihrer Formationen. Daß sie ihre Siege in einem Krieg errungen hatten, der weder nationalen, noch vaterländischen Interessen entsprang, tut nichts zu Sache. Es zählen die versenkten und abgeschossenen Feinde und beim Völkermorden bewiesener Todesmut.
Nun soll den Bewohnern der so benannten Straßen und Plätze nicht nachgesagt werden, sie würden ihre Wohnadressen als eine Hervorhebung oder gar Auszeichnung ansehen. Desinteresse, Gleichgültigkeit, gescheute Kosten einer Umbenennung, dazu Unwissen sind daran beteiligt, daß die Entschlüsse deutscher Nationalisten, Militaristen und Faschisten von einst Bestand haben. Was also tun? Es würde vorerst genügen, wenn sich das Bewußtsein verbreitet, daß auf diesem Felde etwas zu erledigen ist. Gelegenheiten korrigierenden Handelns bieten sich immer wieder.