Sachsen-Anhalt. Gut eingeführt als Standort für Kultur und Bildung. Aktuell bedroht von der Wegwerfgesellschaft. Ressourcenvernichtend und menschenversetzend gerade hier. Immer gewaltiger räumt sie auf. Und ab. Sie sortiert alles neu. Ist etwas weiter zu verwenden, oder muß es aussortiert werden? Das ist die Frage. Der Überfluß, der sie einmal hervorbrachte, will den Mangel als seinen Widerpart nicht anerkennen – er kann nicht anders, er muß überfließen, immer und ewig. Und manches scheint da überflüssig zu werden.
Alles fließt. Bildung und Kultur sind da viel zu feste Begriffe. Womöglich sogar institutionell verfestigt als Institute zur Ausbildung heranwachsender Generationen. Oder feste Häuser zum Spielen teurer Theaterstücke. Oder öde Depots und Schausammlungen mit uralt überlebtem Museumsgut. Altehrwürdige Fakultäten und bundesweit angesehene Theater? Das können nur noch Bremsklötze im Fluß der Zeit sein. Wo alles den Bach, was sage ich, die Flüsse namens Saale, Mulde oder Elbe heruntergeht, ist das nicht zu halten. Wer ruft denn da vom vorläufig noch vorhandenem, aktuell bedrohten Ufer: Halt? Wer stellt sich dem unaufhaltsamen Trend entgegen? Na bitte – die Nutznießer bisheriger Förderung! Die im Hochschulsystem und im Kulturbetrieb bisher privilegiert Agierenden!
Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff solidarisiert sich mit ihnen? Unerhört! Ihr Chef Reiner Haseloff entläßt sie auf der Stelle. Er guckt sich nach einem Nachfolger um. Er wendet den Blick westwärts nach hinten, ja, und er wird fündig. Er findet noch einen, der so wie er richtig rechnen kann – nämlich mit dem Äußersten. Hartmut Möllring als altgedienter Hannoverscher Finanzminister ist der Richtige. Wer einmal als Vorzeige-Hardliner im Tarifkonflikt mit der ÖTV eisenhart blieb, muß der einfühlsamen Wissenschaftlerin überlegen sein. Die aktuell zu beachtende Pikanterie besteht in der Tatsache, daß hier eine große Koalition von CDU und SPD regiert. Und da gibt ausgerechnet der einst als linker Querkopf angetretene Jens Bullerjahn den Finanzminister, der den Einsparkurs auf die Spitze treibt. Kulturminister spielt im Hintergrund der Theologe Stephan Dorgerloh. Der wird schon alles gesundbeten.
Doch Flankenschutz gibt es auch von seiten der Kultur. Gustav Seibt ist der klügsten einer aus der südwestdeutschen Feuilletonistenbranche. Das Wegwerferische an dieser Gesellschaft hat er verinnerlicht. Ganz in dem Kontext predigt er Verzicht auf Liebgewordenes. Wollt ihr gedeihlich weiter existieren, werft Ballast ab, ruft er nordostwärts. Was tut man, kommt man aus München? Man sieht sich gastweise um. Und mokiert sich. Sachsen-Anhalt – da muß man einfach anhalten. Da ist Prüfen angesagt. Der Kulturredakteur als Rechnungsprüfer. Ganze Universitäten und Hochschulen, Museen und Theater nicht mehr finanzierbar? Na und? Spart doch den Staat ein! Ganz unaufgeregt seelenruhig macht er den Vorschlag, das ganze Bundesland mit seiner kostspieligen Verwaltungsstruktur einfach aufzulösen. Bitte schön, meint er, Bildung und Kultur verursachen Kosten – das Regieren jedoch etwas viel Schlimmeres: Unkosten.
So weit sind wir also wieder. Rolle rückwärts zu alten Verhältnissen. Die aus Sicht der überalterten Stammländer der Bundesrepublik nagelneuen fünf Bundesländer sind inzwischen personell so ausgedünnt und industriell so ausgezehrt – da hilft nur noch zusammenlegen. Her mit der alten Staatshülle, drüberstülpen und notdürftig verwalten als geduldetes Anhängsel! Die föderal maskierte Mehrheitsgesellschaft der reichen Minderheit prosperiert schließlich anderswo. Gustav Seibt ist promoviert als ausgewiesener Spezialist für die Geschichte des römischen Imperiums. Schon die Römer ließen Sachsen-Anhalt links liegen, weiß er. Was so eine Liegenschaft ist, die braucht auch heute keine eigene Regierung.