Inwieweit hat die Zivilgesellschaft einen Anspruch darauf, über zweifelhafte militärische Vorhaben informiert zu werden? Wann immer versucht wird, das juristisch auszuloten, scheinen deutsche Anklagebehörden bis heute in einer kontinuierlich grundrechtsverweigernden Haltung zu verharren. Immer wieder werden nicht diejenigen angeklagt und verurteilt, die für rechtswidrige militärische Vorhaben verantwortlich sind, sondern diejenigen, die sich um Aufklärung bemühen. Und nur allzu oft bedarf es eines jahrelangen Durchhaltevermögens, um im juristischen Instanzenweg am Ende doch noch durch Grundrechte geschützt zu werden. Nachfolgende Beispiele verdeutlichen das.
Fechenbach-Prozess: Das Volksgericht des Landgerichts München I verurteilte 1922 den Journalisten und Schriftsteller Felix Fechenbach wegen Landesverrats zu zehn Jahren Zuchthaus, weil er Informationen über die Kriegsschuld Deutschlands öffentlich gemacht hatte. Was damals vor Landesverrat geschützt werden sollte, war gemäß § 92 Strafgesetzbuch eine Nachricht, deren Geheimhaltung »für das Wohl des Deutsches Reichs erforderlich« ist. Fechenbach wurde aus politischen Gründen verurteilt. Das Urteil löste heftige Diskussionen aus und beschäftigte auch den Reichstag, da die Geheimhaltungsbedürftigkeit der von Fechenbach preisgegebenen Informationen nicht aufrechtzuerhalten war.
Ossietzky-Prozess: In der Weltbühne war 1929 der Artikel »Windiges aus der deutschen Luftfahrt« erschienen, der den heimlichen Aufbau der Luftstreitkräfte kritisch hinterfragte und damit die Vorbereitung für einen neuen Krieg anprangerte. Carl von Ossietzky, Herausgeber der Weltbühne, und Walter Kreiser, Autor des Textes, wurden daraufhin 1931 vom Reichsgericht in Leipzig wegen »Verbrechen gegen den § 1 Absatz 2 des Gesetzes über Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juni 1914« zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Auch dieses Urteil war politisch motiviert, denn Ossietzky und Kreiser wurden die militärpolitischen Informationen allein deshalb zum Verhängnis, weil das Militär wünschte, dass sie geheim bleiben sollten.
Spiegel-Prozess: Im Oktober 1962 kritisierte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in dem Artikel »Bedingt abwehrbereit« die Bundeswehr und die auf Atomwaffen setzende militärische Strategie des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß scharf. Herausgeber Rudolf Augstein und weitere Journalisten wurden wegen des Verdachts des Landesverrats verhaftet und die Redaktionsräume durchsucht. Daraus erwuchs die wohl folgenreichste politische Presseaffäre der deutschen Nachkriegszeit, in deren Verlauf Strauß zurücktreten musste.
Ermittlungsverfahren gegen das Hunsrück-Forum: Wiederholt führte die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen die Zeitschrift der Hunsrücker Friedensbewegung Ermittlungsverfahren wegen vermuteter Straftaten gegen die staatliche Sicherheit. Einmal kam es sogar zur Durchsuchung der Redaktionsräume, nachdem die Zeitschrift Lagepläne von Atomwaffen veröffentlicht hatte, die zuvor bereits im Spiegel abgedruckt worden waren, ohne dass es hier zu Ermittlungen gekommen war.
Strafverfahren wegen Kosovo-Aufruf: Nachdem in der taz eine Anzeige erschienen war, in der Bundeswehrsoldaten aufgefordert wurden, ihre Teilnahme am völkerrechtswidrigen Kosovo-Krieg zu verweigern, kam es Ende der 1990er Jahre in Berlin zu etlichen Strafverfahren wegen Aufforderung zur Befehlsverweigerung. Erst das Berliner Kammergericht zog die juristische Notbremse und sprach die Angeklagten frei. Begründung: Meinungsfreiheit.
Ermittlungsverfahren gegen den Blog netzpolitik.org: Im Frühjahr 2015 leitete der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten eines Berliner Blogs wegen des Verdachts des Landesverrats ein. Er löste damit eine heftige Debatte um Pressefreiheit aus, in deren Verlauf er zurücktreten musste.
Büchel-Prozess: Im September 2015 verurteilte das Amtsgericht Cochem einen Friedensaktivisten wegen Verbreitung eines atomwaffenkritischen Aufrufs zu einer Geldstrafe von 2400 Euro, da Bundeswehrsoldaten mit den Flugblättern zum Verrat von Dienstgeheimnissen aufgefordert worden seien. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat bereits eine weitere Anklage angekündigt.
Die Verfahren verdeutlichen, dass die Zivilgesellschaft gefordert bleibt, gegenüber militärpolitischen Vorhaben wachsam zu sein und hier korrigierend einzugreifen.
Hermann Theisen ist Friedensaktivist und lebt in Heidelberg. Wegen der Büchel-Flugblätter wurden bisher mehrere Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Koblenz und dem Amtsgericht Cochem geführt. Zudem wurde eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Deshalb die dringende Bitte um Unterstützung bei den Anwalts- und Gerichtskosten:
Hermann Theisen, IBAN: DE88 4306 0967 6008 7785 00. BIC: GENODEM1GLS.