Bei Gold drehen die Leute offensichtlich durch. Schon Goethe wusste: »Nach Golde drängt, / Am Golde hängt / Doch alles!«
Die einen fahren zum Goldwaschen nach Thüringen oder an den Müggelsee, suchen den goldenen Flitter im Schlamm. Ein Freizeitvergnügen. Nuggets haben sie noch nicht gefunden.
Die anderen arbeiten in improvisierten, einsturzgefährdeten Stollen ohne Lohn, ohne Krankheits- und ohne Unfallversicherung auf 5500 Metern Höhe in der Minenstadt La Rinconada im Grenzland von Süd-Peru und Bolivien: 28 Tage für die Minenbesitzer, zwei Tage für sich, an denen sie so viel Material mit nach draußen nehmen dürfen, wie sie tragen können. Alles für die Suche nach dem großen Glück, alles für die Erfüllung des Traums, dass auch arme Leute ihren Reibach machen können.
Für den Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth ist das Minencamp La Rinconada »der dreckigste Ort der Welt«, noch schlimmer – auch was die Gewaltsituation angeht – als die Favelas in den Randlagen großer Städte Südamerikas: mit quecksilberbelastetem Trinkwasser und quecksilbergeschwängerter Luft; ohne Abwasser- und Abfallversorgung, mit kilometerlangen Abfallbergen, die von Geiern und anderem Getier durchwühlt werden; mit Männern, die mit bloßen Händen in Pfannen rühren, nachdem sie bei Straßenhändlern Quecksilber in Tassen gekauft haben, mit dessen Hilfe das Gold aus dem Erz gelöst werden soll; Quecksilber, das dann später wieder von Frauen mit Lötbrennern verdampft wird, um das mit ihm amalgamierte Gold in Reinform zu gewinnen. Der giftige Quecksilberdampf geht Haus für Haus, Gasse für Gasse ab durch die Schornsteinröhren.
Mark Pieth, der dies alles in seinem Buch »Goldwäsche« aus eigener Beobachtung beschreibt, hat sich in den letzten 25 Jahren »mit der Regulierung und Eindämmung von internationaler Korruption und Geldwäscherei« beschäftigt. Dabei konnte er »nicht übersehen«, dass die Schweiz »nicht nur im Finanzsektor, sondern auch im Rohstoffhandel und speziell im Bereich des Handels mit und der Verarbeitung von Gold eine weltweit einzigartige Rolle einnimmt«. Laut seiner Recherche werden Jahr für Jahr circa 3000 Tonnen Gold in das Alpenland importiert und auch wieder exportiert. 50 bis 70 Prozent der weltweiten Goldproduktion werden in Schweizer Raffinerien geschmolzen und dabei gereinigt.
Zwei Anliegen prägen das mit zahlreichen Abbildungen lesefreundlich gestaltete Buch:
Für den Autor kommt sein Heimatland nicht umhin, sich in Anbetracht der Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen bei der Goldgewinnung vor allem in Südamerika und Afrika »mit der Risikoexposition von bei ihr ansässigen Unternehmen und mit dem Rufrisiko für das Land auseinanderzusetzen«. Sich also auch hier seiner Verantwortung zu stellen, wie zum Beispiel teilweise schon im Finanzsektor (Geldwäsche, Steuerhinterziehung), beim Rohmaterialhandel (Korruption, Spekulation) oder beim Waffenhandel.
Das Buch will darüber hinaus »die schmutzigen Geheimnisse des Goldhandels« beleuchten, »in dem es bis heute nicht gelungen ist, die Menschenrechte auf glaubwürdige Weise zu schützen«.
»Goldwäsche«, in einem Schweizer Verlag erschienen, kommt in Anbetracht des in diesem Jahr deutlich gestiegenen, für Anleger interessant hohen Goldpreises zum richtigen Zeitpunkt. Und passt zur augenblicklichen Vorweihnachtszeit, in der Prospekte mit Gold-Colliers, Gold-Armbändern und Creolen traditionell Hochsaison haben. Allerdings wird wohl kaum ein Käufer oder Verkäufer, sicherlich auch mangels Problembewusstseins, nach der Herkunft des Goldes und seinen Abbaubedingungen fragen oder nach der Lieferkette oder den Sorgfaltsstandards für Mensch und Natur, kurz gesagt: nach dem globalen Fußabdruck.
»Auri sacra fames!« Schon Vergil hat vor 2000 Jahren in seinem römischen Nationalepos »Aeneis« das Verdikt gefällt: Es ist halt der anscheinend unstillbare »verwünschte Hunger nach Gold«, der die Menschen umtreibt. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. »Raffiniert« hat nun mal in der deutschen Sprache eine doppelte Bedeutung.
Mark Pieth: »Goldwäsche – Die schmutzigen Geheimnisse des Goldhandels«, Elster & Salis AG, 304 Seiten, 24 €