Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin. – Sie haben der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit entzogen. Sie stützen sich dabei auf einen Eintrag des bayerischen Verfassungsschutzamtes in seinem Bericht für 2018. Darin heißt es: »In der VVN-BdA wird nach wie vor ein kommunistisch orientierter Antifaschismus verfolgt.« Gemeint ist ein (von der großen Mehrheit der Historiker geteilter) kapitalismuskritischer Ansatz, der die historisch belegte Rolle der Großkonzerne als Finanziers und Nutznießer des Hitlerfaschismus nicht ignoriert. Halten etwa auch Sie die Geschichtswissenschaft für größtenteils »linksextremistisch beeinflusst«? Weiter heißt es im bayerischen VS-Bericht: »Diese Form des Antifaschismus dient nicht nur dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Vielmehr werden alle nicht marxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potenziell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt.« Verstehen Sie das? Sollten Sie nicht lieber den bayerischen Schlapphüten einen Deutschkurs empfehlen, statt sich solchen Unsinn zu eigen zu machen?
Olaf Scholz, Revierverteidiger bezüglich der Tagespolitik. – Sie haben eine neue Gemeinnützigkeitsverordnung inklusive neuer Abgabenordnung angekündigt. Danach soll Organisationen, die sich »allzu sehr in die Tagespolitik einmischen«, die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Ihnen drohen dann hohe Steuernachzahlungen. An den Beispielen von attac und der Kampagnenplattform Campact wurde bereits demonstriert, wie das aussehen soll. Jetzt ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) dran, die sich seit 72 Jahren gemäß ihrem Vereinszweck »Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!« in die Tagespolitik einmischt und diese nicht als exklusives Revier so einschlägig engagierten Parteien wie der SPD überlässt. Können Sie uns verraten, wie wirksames antifaschistisches Engagement ohne möglichst effektive Einmischung in die Tagespolitik aussehen soll? Oder wollen Sie das gar nicht?
Olaf Scholz, SPD. – Wissen Sie eigentlich, dass der SPD-Vorstand den 1948 gefassten Unvereinbarkeitsbeschluss, wonach SPD-Mitglieder nicht der VVN angehören durften, vor neun Jahren aufgehoben hat? Im Übrigen haben weder der SPD-Ukas aus der Nachkriegszeit noch die während der Adenauerära unternommenen Versuche, die VVN zu verbieten, zum Verstummen der Organisation geführt. Wenn Sie es jetzt erneut versuchen, wird das Ihrer Partei gewiss nicht aus dem Tief helfen.
Heiko Maas, Trittbrettfahrer. – Kaum hatten CIA und Weißes Haus in Washington den selbsternannten »Interimspräsidenten« Venezuelas Juan Guaidó als neues Staatsoberhaupt »politisch anerkannt«, da sprangen Sie auf das Trittbrett auf. Die von der US-Regierung mit Guaidó verknüpften Umsturzhoffnungen in Venezuela haben sich bisher nicht erfüllt, nicht zuletzt wegen Guaidós Korruptionsaffäre. Jetzt haben es die USA und die reiche weiße Elite in Bolivien geschafft, den indigenen Präsidenten Evo Morales aus dem Amt zu putschen, und die Senatorin Jeanine Áñez hat sich zur Übergangspräsidentin ausgerufen. Die »Anerkennung« seitens der USA folgte auf dem Fuße. Und Sie? Wie gehabt: Die Putschistin »als Interimspräsidentin anerkannt«. In Venezuela ging es um Öl. In Bolivien geht es um Lithium. Und bei Ihnen geht es um fehlendes Rechtsbewusstsein und gnadenlosen Opportunismus.
Hubertus Heil, SPD, verhüllender Wortjongleur. – Vor 20 Jahren waren drei Prozent der Rentner erwerbstätig. Dann kamen die sozialdemokratischen »Reformen«, und seither führt der Weg immer tiefer in die Altersarmut. Heute, sagt Ihr Ministerium, sind schon acht Prozent der Rentner nebenher berufstätig, der Trend aufwärts werde anhalten. Ihre Erklärung: »Die im Alter steigende Erwerbsbeteiligung kann als Ausdruck veränderter Lebensentwürfe einer aktiveren Teilnahme an Wirtschaft und Gesellschaft gewertet werden.« Wie können Sie nur so abgrundtief gewissenlos darüber hinweggehen, dass in unserem reichen Land zwei Millionen alte Menschen arbeiten müssen, weil das Geld nicht reicht.
Tagesschau-Redakteure, auf dem rechten Auge blind. – Es ist Ihre staatsvertragliche Pflicht, »umfassend, vollständig und der Wahrheit verpflichtet« über das Weltgeschehen zu informieren. Am 7. November 2019 hat die UN-Vollversammlung – zum 28. Mal seit 1992! – mit großer Mehrheit die seit 1962 bestehende Blockade der USA gegen Kuba verurteilt. 187 Staaten votierten für das Ende der US-Blockade. Lediglich drei Staaten waren dagegen: die USA, selbstverständlich, Israel, selbstverständlich, und Brasilien, selbstverständlich, denn dessen protofaschistischer Präsident Bolsonaro lässt keine Gelegenheit aus, seine USA-Hörigkeit unter Beweis zu stellen. Aufgrund des starken Drucks aus Washington enthielten sich Kolumbien und die Ukraine der Stimme. Upps, die Nachricht ist Ihnen durch die Lappen gegangen? Zufälle gibt´s, die gibt’s gar nicht.
Heinrich Heine, posthum Briefschreiber. – Sie haben den Kranz der »Freien und Hansestadt Hamburg«, samt schwarz-rot-goldener Schleife und Gedenkband, vom Soldatenfriedhof in Ohlsdorf entfernen und zum Rathaus zurückbefördern lassen. Der Senat hatte den Kranz am Volkstrauertag beim Rundtempel am Gräberfeld niedergelegt. Am Rathaus hinterließen Sie neben dem Kranz ein plakatgroßes Bekennerschreiben: Der Kranz sei einseitiges »Gedenken an die im Weltkrieg 1939–1945 gefallenen Soldaten«. So lautet tatsächlich die mit eisernen Lettern angebrachte Inschrift an der Tempelwand in Ohlsdorf. Sie ignoriert, dass in dem Gräberfeld auch KZ-Häftlinge und Widerstandskämpfer ruhen, mehr als 60 hingerichtete Wehrmachtsdeserteure, 46 jüdische Soldaten der Roten Armee und acht Kinder von Zwangsarbeiterinnen sowie weitere Opfer des Nazismus. Nicht nur »Gefallene« also, sondern auch viele Ermordete. Alljährlich marschieren zum Volkstrauertag nicht nur der Hamburger Senat, sondern auch diverse alte Kameradschaften, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und Bundeswehrler in Uniform auf, gelegentlich sogar ein Bundesminister der Verteidigung. Wunderbar, dass Sie diesen Leuten ins Stammbuch schrieben: Explizite Gefallenenehrung sei auch Ausdruck der Kriegsverherrlichung und der Missachtung ziviler Kriegsopfer. Ihre Aktion wird zwar unseren Zeitgeist nicht verändern. Aber allen, die noch nachdenken, tut sie gut.