Präsident Bush – der stets gemauert hat, wenn es um Menschenrechte ging – hinterläßt seinem Land als letztes architektonisches Erbe eine teilweise fünfeinhalb Meter hohe Grenzbefestigung, die als Mexico Wall in die Geschichtsbücher eingehen wird. Die Vereinigten Staaten haben seit vielen Jahren ein Problem mit illegalen Immigranten aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Staaten, weil vor allem republikanische Kongreßabgeordete jede Gesetzesinitiative zur Legalisierung der Einwanderung aus diesen Ländern blockieren – nachdem die USA selber die Völkerwanderung aus Zentralamerika vor allem dadurch ausgelöst hatten, daß sie mit Hilfe des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens von 1994 ihre Nachbarn mit Billigwaren überschwemmten und so zu deren Massenarbeitslosigkeit beitrugen.
Auch mit dem Mexico Wall bleibt Präsident Bush seinem Ruf treu, der wohl schlechteste Präsident der US-Geschichte zu sein, läßt er doch die teuerste und zugleich lückenhafteste Mauer der Menschheitsgeschichte errichten. Zwar kostet sie die US-SteuerzahlerInnen in den nächsten 25 Jahren stolze 49 Milliarden Dollar, doch ihre Segmente sperren gerade einmal 1120 der 3200 Kilometer langen Grenze zu Mexiko ab. Aber an der einstigen innerdeutschen Grenzanlage (1378 Kilometer lang) kann sich Bushs Mauer durchaus messen lassen, an Höhe indessen wird sie um mehrere Meter übertroffen von der 700 Kilometer langen Mauer, mit der sich Israel vom Westjordanland abschottet. Laut Bush sollen die Lücken mit Wachtürmen, Suchscheinwerfern sowie thermischen, seismischen, Radar- und Bewegungsmeldern gegen das Eindringen von Immigranten, Drogenhändlern und Terroristen gesichert werden.
Vor allem mit Terroristen kann man US-Amerikanern immer noch Angst machen. Das nutzte die Bush-Regierung, als sie 2006 kurz vor der damals anstehenden Kongreßwahl den Real Identification Act zur Abstimmung brachte. Kein Abgeordneter, der auf Wiederwahl hoffte und sich nicht als unpatriotisch beschimpfen lassen wollte, konnte dieses Gesetz ablehnen. So wurde es mit großer Mehrheit verabschiedet und ermächtigte eine neue Geheimbehörde namens Secure Border Initiative (SBI) zum Mauerbau. Deren Vorgesetzter ist Michael Chertoff, Leiter des Heimatschutzministeriums, dem Artikel 102 des Real ID Act einmalige Befugnisse erteilt: Chertoff, und mit ihm seine SBI-Behörde, dürfen sich bei der Realisierung der Grenzanlage über sämtliche Gesetze der USA hinwegsetzen. Bislang hat der SBI-Chef – mit Genehmigung des Kongresses – 36 wichtige nationale Gesetze gebrochen. Eine Möglichkeit, gegen Chertoffs Entscheidungen in Berufung zu gehen, gibt es ausdrücklich nicht.
Der Wall schließt aber neben unerwünschten Ausländern auch US-StaatsbürgerInnen aus den USA aus, verläuft er doch vielerorts nicht direkt am Grenzfluß Rio Grande, sondern mehr als drei Kilometer von ihm entfernt. Auf diese Weise werden, vor allem in Texas, zahllose US-AmerikanerInnen in einem Niemandsland zwischen der Mauer und Mexiko angesiedelt. Da die Grenzanlage auch Straßen abschneidet, wird die Fahrt zum nächsten Supermarkt oder ins nächste Krankenhaus für sie schwierig. Ausnahmen in Gestalt von Zaunlücken gewährt die SBI offenbar nur denen, die über große Vermögen oder politische Verbindungen nach Washington verfügen. Anfragen zu den Kriterien, nach denen sie die Lücken anlegt, beantwortet die SBI nicht. Viele öffentliche Anhörungen zum Thema Zaunbau delegierte sie an Privatunternehmen, die erwartungsgemäß jede Antwort schuldig blieben.
Die Journalistin Melissa del Bosque vom Texas Observer fand heraus, daß 165 der 305 SBI-Angestellten aus der Privatwirtschaft kommen. Die meisten arbeiten für den zweitgrößten US-Rüstungskonzern Boeing, der für seinen Beitrag zum Bau und zur Instandhaltung des Mexico Wall 1,1 Milliarden Dollar erhält. 2006 hatte Boeing insgesamt 1,4 Millionen Dollar an Kongreßabgeordnete gespendet, die sich vehement für die Schaffung der SBI und für den Mauerbau einsetzten.
Die oft etliche Kilometer breiten Zaunlücken sollen wie Trichter funktionieren, in denen die Grenzpolizei möglichst viele heimliche Immigranten einfangen kann. Oft führen diese Trichter in lebensgefährliche Wüstenregionen, wo die unerwünschten Besucher verhungern, verdursten oder von Bürgerwehren ermordet werden. Wer von der Grenzpolizei zum zweiten Mal aufgegriffen wird, gilt automatisch als Kapitalverbrecher und kommt per Eilverfahren für bis zu zwanzig Jahre ins Gefängnis. Wer es an Bushs Mauer und an seinen Grenzwächtern vorbei in die USA schafft, muß sich für einen Hungerlohn in ewiger Angst vor Entdeckung ausbeuten lassen.
Auf der mexikanischen Seite des Rio Grande wird seit Sommer ebenfalls eine Mauer errichtet – aus 400.000 Bäumen. Sie sollen eine über 500 Kilometer lange grüne Mauer des Lebens ergeben, als Kontrast zu der Mauer, die Tod, Gefängnis und Ausbeutung bedeutet.