Die Werbung klingt gut in der Weihnachtszeit: »Macht mit bei der Aktion ›Weihnachten im Schuhkarton‹!« – »Gebt Geschenke der Hoffnung an hilfsbedürftige Kinder in Osteuropa, in der Mongolei, in aller Welt!« – »Bringt die Weihnachtsbotschaft mit einem Schuhkarton voller Süßigkeiten, Spielsachen und Kleidungsstücken zu den Ärmsten der Armen!« – »Macht mit bei der weltweit größten Geschenk-Aktion für Kinder in Not!«
Die Werbung klingt gut und kommt auch gut an: 500.000 Päckchen im Werte von 20 Millionen Euro wurden 2009 für die Aktion gespendet; in diesem Jahr werden wohl noch mehr gepackt – in Kindergärten, Vereinen, Firmen; sie alle wollen bei dieser »Demonstration der Nächstenliebe« in der Weihnachtzeit dabei sein.
Seit 1993, als gerade einmal 1600 Päckchen zusammenkamen, ist sie geradezu ins Gigantische gewachsen. Zur Zeit gibt es bundesweit 2800 Sammel- und Anlaufstellen, wo die Geschenke entgegengenommen, mit einer Bibelbroschüre zusammen in den berühmten Schuhkarton gepackt, in das zentrale Auslieferungslager in Berlin und von dort per Lastkraftwagen Richtung Osten transportiert werden. Die Sammelstellen werden in vielen lokalen Medien, die in der Regel auch für die Aktion werben, angezeigt; sie befinden sich in Kindergärten, Schulen, Rathäusern, in landes- und freikirchlichen Gemeindehäusern, bei Privatpersonen, die zumeist aus dem evangelikalen Milieu stammen, in sehr vielen Apotheken und etlichen Schuhgeschäften. Auffällig sind die Sammelstellen in Hamburg: Es sind 140, von denen fast 100 in den Filialen der Hamburger Sparkasse untergebracht sind – so als hätten die Hamburger Geldhäuser in der Vorweihnachtszeit nicht anderes zu tun, als sich um christliche Schuhkartons zu kümmern.
Kritik an der Aktion war bisher kaum zu vernehmen. Nur wenige Lokalzeitungen äußerten Unbehagen, so schon 2008 die Kieler Nachrichten, weil »kaum jemand der gutwilligen Spender die Hintergründe dieses Hilfswerkes kennt«. Deutlicher wurden einige Blätter in diesem Jahr, zum Beispiel die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) in Herne. Sie äußerte den Verdacht, daß die vermeintliche Hilfsaktion nichts anderes als eine evangelikale Missionsaktion ist, die »keine langfristige Verbesserung der Lebensbedingungen der beschenkten Kinder bewirkt«, sondern diese als »Werbeträger« für die Hintermänner der Aktion einsetzt.
Die Zeitung übernimmt diese Kritik aus einem Gutachten des Bistums Trier, das zwar nicht ganz uneigennützig ist, weil die weihnachtlichen Spenden für den Schuhkarton immer auch Mindereinnahmen für die eigenen Sammelprogramme »Adveniat« und »Miserior« bedeuten. Aber sie trifft, denn sie nennt warnend die Hintermänner, die die Rechte an dieser Schuhkartonaktion innehaben und sie steuern. Die US-amerikanische Einrichtung »Samaritian´s Purse« (»Geldbeutel des Samariters« nach dem biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter) schickt ihre Strategen in weltweite Einsätze. An ihrer Spitze steht Franklin Graham, Sohn des Baptistenpredigers und Präsidentenberaters Billy Graham (»Maschinengewehr Gottes«), der mit seinem rabiaten Antikommunismus die Kriege in Korea und Vietnam als Kreuzzüge ausrief und die kriegsmüden GIs in seinen Weihnachtsansprachen zum Weitermorden antrieb.
Für seinen Sohn, der inzwischen auch zum Alleinerben des millionenschweren Imperiums des Vaters geworden ist, ist es nun allerdings nicht mehr der Antikommunismus, der seinen christlichen Eifer anstachelt, sondern der Antiislamismus, mit dem er seit dem 11. September 2001 die US-amerikanische Gesellschaft und darüber hinaus Europa für die anstehenden Kriege rüstete. Schon am Tage der Anschläge in New York und Washington verkündete er das Gottesurteil: »Der Islam ist eine sehr, sehr böse Religion.« Dieser Kreuzzugsgeist erhielt höchste politische Anerkennung dadurch, daß der Graham-Sohn ihn 2003 im Karfreitagsgottesdienst des Pentagons verbreiten konnte, kurz nach Beginn der völkerrechtswidrigen Irak-Invasion. Seitdem hat er ihn immer wieder befeuert, so zuletzt im August dieses Jahres, als er laut Time magazin bekräftigte: »Der Islam ist eine Religion des Hasses. Er ist eine Religion des Krieges.« Im Frühjahr 2003 warteten Mitglieder von »Samaritan`s Purse« an der Grenze zum Irak ungeduldig darauf, daß endlich die Kampfhandlungen begannen. Als die vorüber waren, konnte er endlich unter den »Ungläubigen« das Neue Testament auf arabisch verteilen und sie taufen – Mission nach herkömmlicher Art, in der Schwert und Kreuz sich küssen. Inzwischen wundern sich die Invasoren und christlichen Missionare von damals, daß die Christen im Irak nicht mehr so wohlgelittene Mitbürger sind wie früher.
Neue christliche Kriege mit der islamischen Welt drohen. Dafür werden Missionare wie Franklin Graham mit ihren »Wohltätigkeitsorganisationen« weiterhin gefragte Partner zur »ideologischen Aufladung solcher Konflikte« (Rainer Prätorius: »In God we Trust. Religion und Politik in den USA«, München 2003) sein. Alle, die heute die Aktion »Weihnachten im Schuhkarton« gutwillig, aber uninformiert unterstützen, sollen wissen: Vorsicht Falle. Franklin Graham macht euch zu seinen Komplizen. Dafür müßte sich auch die Hamburger Sparkasse zu schade sein.