erstellt mit easyCMS
Titel2411

Geheime Dienste  (Peter Söhren)

Jetzt wetteifern zuständige Minister um den Nachweis von Einsatzfreude: Schonungslos müsse das »Versagen« des Verfassungsschutzes aufgeklärt, eine »Reform« dieser Behörden betrieben werden. »Fassungslos« habe man zur Kenntnis nehmen müssen, wie Bedienstete des Staates nicht in der Lage gewesen seien, das mörderische Treiben neonazistischer Untergründler aufzudecken, diese einem polizeilichen Zugriff auszusetzen. Ein Sprecher der SPD forderte bessere materielle Ausstattung des Verfassungsschutzes; der Bundesinnenminister erwägt, durch Zentralisierung den Verfassungsschutz »effektiver« zu machen.

Solche Stellungnahmen und Vorschläge sind dazu angetan, den Tatbestand systematisch zu verdecken: Es war nicht Ungeschick amtlicher Akteure oder Mangel an administrativer Handlungsfähigkeit, wodurch Verfassungsschutz zum Schutz für gewalttätige Rassisten wurde. Vielmehr kommt nun erneut zum Vorschein, was in weniger extremer Form schon bei dem Versuch sichtbar wurde, die NPD per Verfassungsgericht verbieten zu lassen: Geheime Dienste bilden, vom Staat beauftragt, einen Staat im Staate, sie setzen sich hinweg über jene Gesetzlichkeit, die für »Normal«-BürgerInnen gilt, sie dienen eigenen, geheimen Interessen.

Wie wäre anders zu verstehen, daß hartgesottene Propagandisten und Organisatoren der neonazistischen Szene, als V-Männer legitimiert, auf Finanzierung und Absicherung durch den Verfassungsschutz rechnen können? Wie wäre sonst zu erklären, daß eine ganze Serie rassistischer »Hinrichtungen« mit dem »Döner«-Etikett ins politisch Harmlose geschoben wird? Und wer will, bei so trautem Kontakt zwischen geheimen Diensten und einer braunen Szene, noch auseinanderhalten, ob ein Verfassungsschutzamt V-Leute beim rechten Extremismus oder dieser V-Leute bei den Behörden hat?

Parlamentarische Kontrollausschüsse jedenfalls werden kein Licht in dieses Dunkel bringen können, denn hinter dem Geheimen gibt es noch das ganz Geheime.

Übrigens: In der Berichterstattung über den »NSU«-Skandal wird auch Helmut Roewer erwähnt, seinerzeit Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, dann über eine V-Mann-Affäre und allerlei Eigenmächtigkeiten gestolpert und vorzeitig in Pension geschickt. Kaum erwähnt wird dabei, daß Roewer jetzt Autor beim Ares-Verlag in Graz ist, einer Nebenabteilung des verlegerischen Unternehmens Leopold Stocker. Der F.A.Z. ist dies immerhin nicht entgangen, sie merkte an, der Ares-Verlag führe »Veröffentlichungen über Krieg und Vertreibung im Verzeichnis«. Ja, aber welcher Art? Und was sonst noch, derselben Ausrichtung? Die Buchproduktion von Leopold Stocker hat eine deutschvölkisch-antisemitische Tradition, und heute bedient Stocker-Ares die Neue Rechte, zusammenarbeitend mit dem thüringischen »Institut für Staatspolitik« und dessen Verlag, der sich hervorgetan hat unter anderen mit dem Titel »Deutsche Opfer, fremde Täter«. So fügt sich manches zusammen.