Mit großem Ernst behandelten die Feuilletons der Tagespresse Dirk Kurbjuweits Roman »Kriegsbraut« (Rowohlt Verlag, 2011) als ein komplexes Kulturwerk, das sie für seine »Erzählkunst« und für etwelche Eigenschaften lobten. Homogene, feierliche Rezensionen etablierter Kulturforen, die Werken journalistischen Stils und flacher Ausarbeitung zuteil werden – nichts Ungewöhnliches. »Kriegsbraut« ist ein Roman, der den deutschen Bundeswehreinsatz in Afghanistan emotional besetzt und in Episoden bebildert. Feuilletonisten, die solches feiern, müssen die Botschaft der großen Anti-Kriegsromane der Literaturgeschichte schlicht vergessen haben. Aber wer weiß, ob nicht ein skrupelloses Kulturministerium die »Kriegsbraut« einmal SchülerInnen als Pflichtlektüre vorlegt?
Kurbjuweit ist seit 1999 Spiegel-Mitarbeiter und Autor mehrerer Romane. Das tendenziöse und von der Presse so belobigte Buch hat es jetzt zu einer Bühnenfassung gebracht, die seit Oktober in Berlin-Neukölln aufgeführt wird. Das hat etwas Groteskes an sich. Neukölln ist ein Berliner Bezirk mit hohem Migrantenanteil, und offenbar glaubt die Bühne, einen für Neuköllner Lebenswirklichkeit relevanten Stoff zu inszenieren. Aber die Bühne Heimathafen, bislang bekannt durch interkulturelle Theateraufführungen von teils satirischem, teils ernstem Inhalt, der auch Straßenrealität zum Bühnenwerk verarbeitete, irrt hier und greift in ein Arsenal von blonden Pferdeschwänzen, Wurst-Frühstücken und Truppenübungen.
Der Roman hat keinen interkulturellen Gehalt. Denn er birgt leider inhaltlich, was der Titel verspricht: Eine Bundeswehrgeschichte, in der die Kriegführung der Bundeswehr in Afghanistan ausgeschmückt und illustriert wird mit emotionaler Besetzung des Soldatentums. Nicht erwähnt werden die wirtschaftlichen Motive des deutschen Kriegseinsatzes am Hindukusch, bruchlos akzeptiert ist hingegen die politische Begründung von einem »humanitären Einsatz« gegen die Taliban, wie sie uns von Anfang an vom Bundestag geliefert wurde. Die Thematik der afghanischen Flüchtlinge, die in Deutschland in miserablen Lagern und Wohnheimen ausharren müssen und von Abschiebung bedroht sind, klammert Kurbjuweit völlig aus. Lautstarkes Schweigen! Jedoch müßte, für kein geringeres Unterfangen als dieses, den Afghanistankrieg in einen Roman zu bringen, die Stimme der afghanischen Opfer der Militärgewalt transportiert werden anstelle eines Fiktionsromans deutscher Stimme. Die Mitteilungen der Überlebenden müßten interessieren, falls wir noch des Interesses fähig sind.
Angenehm für die politische Ordnung dürfte jedoch die Figur der Esther als Identifikationsangebot sein. Esther, die hier vermeintlich einem Irrtum unterlag, stellt den guten Glauben der SoldatInnen unter Beweis und steht damit für Aufrichtigkeit und Treue, Eigenschaften, mit denen sich die Bundeswehr in ihrer Propaganda täglich schmückt. Und mit der apolitischen Darstellung eines politisch brachial durchgesetzten und durchgehaltenen Krieges wird die verlogene Bundeswehrwerbung für Jugendliche in keiner Weise angeprangert. Wirbt diese heute doch an Schulen und selbst in der Teenie-Zeitschrift Bravo mit vermeintlichen Beach-Parties und Sportvergnügen. Kurbjuweits Schilderung verharmlost die Bundeswehr durch Verschweigen.
Nein, erzählerisch oder packend sind sie nicht, die Illustratoren der »großen« Politik. Kurbjuweit zeigt das Bestreben, Bundeswehr und Afghanistankrieg in eine lineare und seichte Handlung einzubetten, die wesentlich durch Plaudereien gekennzeichnet ist, und damit den Krieg faßbar zu machen. So viel Fassung macht mich fassungslos. Das Unfaßbare muß unsere schlafenden Sinne beunruhigen. Es geht nicht darum, daß wir uns den Krieg gut vorstellen können sollten, sondern unser Weniges an Vorstellung vor dem Phänomen Gewalt sollte uns aufdämmern. Das wäre viel. Im Ergebnis gelangen wir dann hoffentlich, endlich, zur einzigen Forderung: Schluß mit diesem Militäreinsatz, und nie wieder Krieg!