Die viel diskutierte Frage, ob die »sogenannte ursprüngliche Akkumulation«, die Karl Marx im ersten Band des »Kapital« als eine mit brutalsten Mitteln der Enteignung, des Raubs und der Vertreibung durchgesetzte Scheidung von Produzent und Produktionsmittel beschreibt, nur eine historische Phase in der Entwicklung des Kapitalismus oder einen fortgesetzten Prozeß bezeichne, wird durch aktuelle Fallbeschreibungen in Wilfried Huismanns Buchveröffentlichung »Schwarzbuch WWF. Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda« (Gütersloher Verlagshaus, 256 Seiten, 19,99 €) empirisch beantwortet. Denn was Weltkonzerne wie British Petroleum, Exxon Mobile, Marine Harvest, McDonalds, Monsanto, Coca Cola, Alcoa oder der Palmölproduzent Wilmar besonders auf der südlichen Hemisphäre anrichten, steht den historischen Methoden und damit verbundenen Grausamkeiten in nichts nach. Allerdings haben diese Unternehmen bei ihren hochlukrativen Geschäften mit den letzten natürlichen Ressourcen unseres Planeten heute einen mächtigen Partner an ihrer Seite, der sie mit einem grünen Image in Form von »Nachhaltigkeitszertifikaten« versorgt. Dieser Partner, selbst ein Weltkonzern, heißt World Wide Fund for Nature, kurz WWF. Dessen Nobelmarke, der niedliche Pandabär, ist, so schildert es Huismann, mit schrankenloser Profitmacherei auf Kosten von Naturzerstörung und der Vernichtung der Lebensgrundlagen von Millionen Menschen im Bunde. Der Journalist, Buchautor, Filmemacher und dreifache Adolf-Grimme-Preisträger Wilfried Huismann hat weltweit zwei Jahre lang den Geschäftsmethoden des WWF und der mit ihm über exklusive »Runde Tische« kooperierenden Unternehmen nachgeforscht. Huismann kennzeichnet den WWF als »Verein, der gern mit dem industriellen Jetset an Konferenztischen sitzt«. Daneben existiert als strategisches Zentrum der geheime »Club der 1001«, ein WWF-Netzwerk mit Namen wie Henry Ford, Baron von Thyssen, Aga Khan, Juan Antonie Samaranch, Alfred Heineken, Berthold Beitz, Friedrich Karl Flick sowie Kriegsverbrechern und Staatsterroristen wie Mobutu Sese Seko. Eine Dreherlaubnis am Sitz dieses erlauchten Clubs am Genfer See wurde Huismann rundweg verweigert, überdies jede Zusammenarbeit umgehend beendet.
Der WWF war im Jahre 1961 eine Gründung »von oben«, mit Hilfe des europäischen Blut- und Geldadels, der seinerzeit seine Jagdreviere in Übersee, ganz in Kolonialherrenmanier, retten wollte. Prinz Bernhard der Niederlande, der erste Präsident des WWF, dem Huismann blutige Verflechtungen mit dem Apartheid-Regime in Südafrika nachwies, traf schnell ein Arrangement mit dem Mineralölkonzern Shell als finanzkräftigem Geldgeber. Seit dieser Zeit, weiß Huismann, habe es kaum eine Spende oder ein Beraterhonorar gegeben, die dem Naturschutzunternehmen peinlich gewesen wären. Die Londoner HSBC-Bank etwa, die die weltweite Palmölindustrie finanziert, habe in jüngster Zeit 100 Millionen Euro für ein Klimaprojekt gestiftet. Gleichzeitig sitze die Bank gemeinsam mit dem WWF am Runden Tisch für »nachhaltiges Palmöl«. – Erkauftes Wohlverhalten? Der WWF nennt solches Gebaren »Taktik des Umarmens«, eine echte Win-Win-Methode.
Wilmar International ist der weltgrößte Palmölkonzern. Das wertvolle Gut wird in Margarine, Reinigungsmitteln und Kosmetika verarbeitet. Die Produktion explodierte jedoch geradezu, als »regenerative« Energie aus Pflanzen auf die politische Agenda gehievt wurde, seinerzeit propagiert zum Beispiel von der grünen Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin Renate Künast. Für Recherchen zu seinem Schwarzbuch reiste Huismann nach Kalimantan, in den indonesischen Teil von Borneo, wo Wilmar gigantische Monokultur-Plantagen – im Fachjargon: »degradiertes Land« –, allerdings unter Aussparung eines winzigen vorzeigbaren Stückchens Restwald, betreibt. Die Reste des Primärwaldes, etwa zwei Prozent der vormaligen Fläche, feierte der WWF als seinen Verhandlungserfolg und belohnte den Konzern mit dem Zertifikat für »nachhaltiges« Wirtschaften. Im Zuge der Umnutzung des Landes gab es aber auch rebellische heimische Bauern, die Widerstand gegen die Naturzerstörung und die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen organisierten. Zunächst waren ihnen durch eine Tochterbank der HSBC Kredite für Kleinbetriebe angeboten worden mit der Auflage, ausschließlich Ölpalmen auf ihren Ländern zu pflanzen. Davon wollten die traditionell wirtschaftenden Landwirte jedoch nichts wissen, worauf sie kurzerhand mit Regierungshilfe enteignet wurden. Als die Bauern das geraubte Land besetzten, verlangte die Bank eine Kreditrückzahlung von umgerechnet 7,5 Millionen Euro – Geld, das sie nie entliehen hatten. Zuletzt konnten die Bauern nach fünf Jahren Rechtsstreit erwirken, daß ihnen ihr Land zurückgegeben wurde – ein äußerst seltener Fall! Um die Bauern während des Prozesses mürbe zu machen, wurden nachweislich bezahlte Schläger auf ihre Wortführer angesetzt. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Daß die von den heutigen schlimmsten Global Playern betriebene ursprüngliche Akkumulation einmal von einer Naturschutzorganisation mit einem Nachhaltigkeitszertifikat versehen werden könnte, hätte Marx sich wohl in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können.