An die Entführung und Folterung des Komponisten Isang Yun und die Mitwirkung bundesdeutscher Stellen an diesem Verbrechen erinnert nach fast 50 Jahren sein Anwalt (Teil 1 siehe Ossietzky 23/2015).
Ich führte eine umfangreiche Korrespondenz und Gespräche mit zuständigen Instanzen in Bonn und Karlsruhe und wurde vom damaligen Bundesjustizminister Gustav Heinemann, der meine Empörung über das Entführungsverbrechen teilte, zu einem zweistündigen Gespräch empfangen, das immerhin dazu führte, dass die Bundesregierung einen Prozessbeobachter nach Seoul schickte, nämlich den auch von mir hochgeachteten Juraprofessor Gerald Grünwald. Doch nachdem dieser sehr kritisch über das Verfahren berichtet hatte, glaubte die Bundesregierung, deren politische Richtlinien der für seine Nazivergangenheit bekannte Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) bestimmte, für die weiteren Gerichtsinstanzen ohne Prozessbeobachter auszukommen, und überließ die Entführten dem weiteren Gang der südkoreanischen Justiz, der für Yun mit einem auf zehn Jahre Freiheitsstrafe lautenden Urteil endete.
Der Präsident der Hamburger Akademie der Künste, Wilhelm Maler, hatte einen von international bekannten Musikern unterzeichneten Appell organisiert und an den südkoreanischen Präsidenten geschickt, in dem die Freilassung Isang Yuns gefordert wurde. Es gelang mir, die Redaktionen der Frankfurter Allgemeine und der Welt, die auch in Südkorea gelesen wurden, zu veranlassen, diesen von 181 prominenten Musikern aus aller Welt unterstützten Appell in großformatigen Anzeigen unentgeltlich zu veröffentlichen.
Zu meinen von offiziellen bundesrepublikanischen Instanzen offenbar mit Missfallen beobachteten Aktivitäten gehörten auch kritische Presseartikel – bis hin zur Wochenzeitung Die Zeit – und Rundfunkkommentare sowie Reden in mehreren Universitätsstädten, auch zusammen mit Professor Grünwald. Dabei verschwieg ich nicht die unbestreitbaren Indizien für eine Mitwirkung deutscher Geheimdienste an dem Entführungsverbrechen. Insbesondere verwies ich auf einen 47 Seiten umfassenden, angeblich vom südkoreanischen Geheimdienst stammenden Observationsbericht, aus dem sich ergab, dass die entführten Koreaner in der BRD jahrelang beobachtet worden waren. Das konnte nur einem deutschen Geheimdienst möglich gewesen sein, wenn man nicht unterstellen wollte, dass der koreanische Geheimdienst schon seit Jahren mit großem Personalaufwand in der BRD tätig sein konnte, ohne einem deutschen Geheimdienst aufzufallen. In dem Bericht wurde Isang Yun zum Haupt einer kommunistischen Verschwörerorganisation gemacht, die nach den Kategorien des bundesdeutschen politischen Strafrechts zurechtgezimmert war, das bestimmte »Ostkontakte«, also Verbindungen zu einem kommunistisch regierten Staat, als »landesverräterische Beziehung« definierte.
In der seriösen Presse wurden die skandalösen Umstände der Entführung kritisch erörtert und der Verdacht geäußert, dass ein deutscher Geheimdienst an der Entführung mitgewirkt habe. In der Frankfurter Allgemeinen vom 18.7.1967 hieß es: »In unterrichteten Kreisen Bonns gilt es seit dem Wochenende als wahrscheinlich, dass die Entführung von 17 südkoreanischen Bürgern durch den Geheimdienst Südkoreas aus der Bundesrepublik nicht ohne Hilfe und Kenntnis bestimmter deutscher Stellen … habe geschehen können.«
Der Bericht enthielt noch weitere Einzelheiten über die vom deutschen Geheimdienst geleisteten Dienste für die etwa 50 eingereisten südkoreanischen Geheimdienstbeamten und deren aus fünf bis sieben Personen bestehendes Vorkommando.
Der Generalbundesanwalt, der die bei örtlichen Staatsanwaltschaften geführten Ermittlungsverfahren an sich gezogen hatte, verkündete mit verdächtiger Eile, dass keine deutsche Behörde bei der Entführung mitgewirkt habe. Auch veranlasste er die Haftentlassung zweier tatverdächtiger Koreaner, die auf Antrag der örtlich zuständigen Staatsanwälte verhaftet worden waren. Meinen Antrag auf Akteneinsicht lehnte der Generalbundesanwalt ab. Die Akte wurde zum Staatsgeheimnis erklärt. Sie ist wahrscheinlich immer noch ein Staatsgeheimnis, wenn sie nicht geschreddert worden ist.