1969 zum 20. Jahrestag der DDR eröffnet, steht der Kulturpalast Dresden nun schon 46 Jahre. Er wurde genau ins Zentrum der Altstadt gesetzt, ein Symbol des Aufbaus in der Trümmerwüste, die die alliierten Bomber am 13. Februar 1945 hinterlassen hatten, und zugleich ein architektonisches Beispiel der Bauhaus-Moderne oder der »Ostmoderne«, wie es der Architekt Stephan Schütz nennt. Ausgestattet war das Haus mit Gemälden, Plastiken und Mosaiken von DDR-Künstlern. Prägnant ist das 30x10 Meter große Mosaik »Der Weg der roten Fahne« von Gerhard Bondzin an der Westseite des Gebäudes. Der Palast hatte ein Millionenpublikum, auch durch die Fernsehübertragungen von »Ein Kessel Buntes«, des Dixieland-Festivals und anderer populärer Veranstaltungen.
Jedoch hatte der Bau auch seine Mängel. Das war vor allem die Akustik. Der Palast war der Sitz der Dresdner Philharmonie, und die Sinfoniekonzerte waren tragender Teil des Programms, aber genau da lag das Problem. Die Musiker des Orchesters konnten sich gegenseitig kaum hören. Sie erzählen, wie überrascht sie von ihrem eigenen Klang waren, wenn sie in anderen Konzertsälen spielten, und zu Hause bekamen sie wieder einen Dämpfer. Dabei ist das Orchester berühmt für seinen »sächsischen Klang«. Der Chefdirigent Marek Janowski legte 2003 sein Amt nieder, weil die ihm vertraglich zugesicherte Verbesserung der Akustik nicht ausgeführt wurde. Auch die Staatskapelle Dresden gab unter Giuseppe Sinopoli ihre Konzerte im Palast auf. Internationale Spitzenorchester mieden den Palast.
Hinzu kam die einseitige, auf wenige Stunden begrenzte Nutzung. »Wenn ich mittags um zwölf auf dem Altmarkt stehe, geht beim Kulturpalast niemand raus oder rein«, stellte der frühere Kulturbürgermeister Ralf Lunau fest. Auch die Instandhaltung und Modernisierung der technischen Systeme war dringend nötig. 2007 musste der Palast wegen schwerer Mängel beim Brandschutz mehrere Monate stillgelegt werden. Schließlich lief die Betriebserlaubnis Ende 2012 aus. Eine Generalsanierung stand an.
Im Dresdner Stadtrat und in der Bevölkerung gab es konträre Meinungen zur weiteren Nutzung und zum Umfang der Modernisierung: Eine Partei mit der Staatskapelle an der Spitze forderte den Bau eines neuen Konzerthauses und die Erhaltung des Mehrzwecksaales mit 2400 Plätzen. Die andere präferierte den Umbau des Großen Saales in einen Konzertsaal mit exzellenter Akustik. Zusätzlich bot sich die Unterbringung des Kabaretts »Die Herkuleskeule« und der Städtischen Bibliothek sowie des Besucherzentrums der Frauenkirche an. Der Entwurf des Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner sah einen Konzertsaal mit 1785 Plätzen – rund 600 weniger als bisher – vor, was neuen Protest auslöste. Streit entspann sich um die Finanzierung, denn Geld wurde auch für Krankenhäuser, Schulen und Kitas gebraucht. Die geplanten 81,5 Millionen Euro für den Palast schienen den Kritikern zu viel. Der Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) meinte jedoch: »2019 läuft der Solidarpakt II aus. Was wir jetzt nicht gebaut kriegen, schaffen wir in Jahrzehnten nicht mehr.« Der 2012 beschlossene Etat wurde erneut gefährdet, weil eingeplante 35 Millionen Fördermittel der Europäischen Union nicht kamen. Wer in der Landesregierung den Antrag unterlassen oder hintertrieben hat, ist bis heute nicht aufgeklärt. SPD-Stadträte machen einen Dissens zwischen der CDU Sachsen und der CDU Dresden dafür verantwortlich. Die Stadt musste auf das Vermögen der Kreuzchor-Stiftung und der Sozialstiftung zurückgreifen. Durch die Verschleppung der Finanzierung verschob sich der Baubeginn vom 1. Januar auf August 2013 und die Fertigstellung vom 1. September 2015 auf den 31. März 2017. Nach dem Auszug des Orchesters im August 2012 stand der Palast ein Jahr lang dunkel und ungenutzt da – abbruchreif, mitten in der historischen Altstadt! Eine gefährliche Situation, die bei Immobilienhaien Begehrlichkeiten wecken kann.
Besonders belastet sind die Musiker der Dresdner Philharmonie, die fünf Jahre lang ein Zwischenquartier in einem ehemaligen Kino nutzen und in sieben verschiedenen Spielstätten spielen müssen. Wie wirkt sich das auf die Stimmung im Orchester aus? Der Chefdirigent Michael Sanderling übernahm 2011 die Leitung im vollen Bewusstsein des Problems der Erhaltung der Qualität. Nachdem der Umbau endlich beschlossen war, erlebte er das Orchester in einer Goldgräberstimmung. Im Mai dieses Jahres bestätigte er im Gespräch mit neues deutschland, das Orchester habe nicht an Qualität verloren, aber an Flexibilität gewonnen. »Ich habe in Dresden den übergeordneten Auftrag, das Orchester über diese schwierige Zeit zu führen – zurück in den Saal«.
Der Bauverlauf ist schnell berichtet. Der Grundstein des Konzertsaals wurde im September 2014 gelegt. Beim Richtfest am 29. Mai 2015 spielte das Orchester zum ersten Mal auf dem Rohbau der neuen Bühne. Der Saal wird 51 Meter lang, 44 Meter breit und 20 Meter hoch sein. Er wird schlanker und höher, aber mit einer Akustik, bei der sich der Hörer »von Musik umschlungen fühlt«, sagt die holländische Akustikingenieurin Margriet Lautenbach.
Angesichts der Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie in Hamburg und der Staatsoper Berlin kaum zu glauben: »Wir liegen mit Terminen und Kosten im Plan«, versichert der Baudirektor Axel Walther. Am 31. März 2017 soll der Saal fertig sein, das Eröffnungskonzert der Dresdner Philharmonie ist für den 1. Mai 2017 geplant und die volle Bespielung für die Saison 2017/18. Auch »Der Weg der roten Fahne« wird restauriert sein. Zusätzliche Dynamik bekommt der Bau durch die Konzertorgel mit ihren 60 Registern und 4000 Pfeifen. Die war von den Architekten eingeplant, aber wegen der Kosten zurückgestellt worden. Es klingt wie ein Wunder: Der Förderverein der Dresdner Philharmonie sammelte eine Million Euro, die Stadt gibt 300.000 dazu. Im Januar 2016 beginnt die Fertigung im Orgelbau Eule in Bautzen. Wenn die Orgel im Oktober fertig ist, muss sie sofort demontiert und im Konzertsaal eingebaut werden. Ab März 2017 wird sie 17 Wochen lang intoniert und nach der Orgelweihe im September 2017 vom Förderverein der Stadt Dresden geschenkt.
»Mich bewegt das Gefühl der Intimität und der Würde des Saales«, sagte Michael Sanderling beim Richtfest. Auch der Orchestervorstand Norbert Schuster spürt eine hohe Erwartungshaltung der Musiker.
Wenn man weiß, dass die Stadt Dresden parallel im ehemaligen Kraftwerk Mitte für 96 Millionen Euro neue Gebäude für die Staatsoperette Dresden, das Theater junge Generation und die Puppenbühne bauen lässt, die im Dezember 2016 in Betrieb gehen sollen, sind das Gaben an die Bevölkerung Dresdens, die sie überzeugen sollten, statt das Übel Pegida zu dulden, ihre Kultur zu pflegen.
Zur Wahrheit gehört auch, dass der Umbau des Kulturpalastes ein Wahlversprechen der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) im Jahre 2008 war. Sie musste ihr Amt wegen Krankheit niederlegen. Doch sie hat sich ein Denkmal gesetzt.