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Titel2416

Forever Young. Dylan  (Klaus Nilius)

Er sang von ihnen, den Herren des Krieges, den »MASTERS OF WAR«, die Waffen, Todesflugzeuge, große Bomben bauen, die mit seiner Welt spielen, als wär’s ihr kleines Spielzeug. Und er versprach, ihrem Sarg zu folgen und über ihrem Grab zu stehen und erst wegzugehen, wenn er ganz sicher sei, dass sie auch wirklich tot sind: »Til I’m sure that you’re dead«. Und Abertausende sangen mit. (1963)

 

Er fragte, wie viele Jahre manche Menschen leben müssen, bis sie frei sein dürfen, wie viele noch in den Tod gehen müssen, bis endlich begriffen wird, dass schon zu viele gestorben sind. Doch die Antwort, Freunde, »is BLOWIN‘ IN THE WIND«, is blohohoin‘ in the wind: Gibt es ein Lagerfeuer, eine Antikriegsdemo, wo nicht dieses Lied gesungen wurde? Gibt es jemand, der es nicht kennt? (1962)

 

Er wusste: Die Zeiten ändern sich. Folk allein genügt nicht. Der Singer-Songwriter Woody Guthrie, der Folk-Musiker und politische Aktivist Pete Seeger hatten es vorgemacht, ebenso die Folk-Sängerin und Bürgerrechtlerin Joan Baez. Die Zeiten ändern sich, und er dichtete: »Come gather ‘round people wherever you roam.« Kommt her, Leute, wo immer ihr seid. Beteiligt euch. Und ihr, Eltern, kritisiert nicht eure Söhne und Töchter, ihr versteht sie ja sowieso nicht, denn nichts bleibt, wie es war: »For THE TIMES THEY ARE A-CHANGIN«. (1963)

 

Gedicht um Gedicht schrieb er, Song um Song, über 500 Texte wurden es bisher, seit den Anfängen in den 60ern. Aber was heißt »Anfänge«: Die Gedichte, die Lieder von damals haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Sie sind zeitlos: »FOREVER YOUNG«. (1973)

 

Am 13. Oktober gab das Nobelpreiskomitee in Stockholm bekannt, dass der US-amerikanische Lyriker und Sänger Bob Dylan (75) den diesjährigen Literaturnobelpreis erhalten wird. Der weltweit bedeutendste Preis für Literatur werde am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Stockholm überreicht. Es ist eine historische Entscheidung, denn zum ersten Mal wird ein Musiker und Songwriter mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

 

Eine Auszeichnung, die ihn erst einmal »sprachlos« machte, wie Dylan zwei Wochen nach der Bekanntgabe in einem ersten Telefongespräch gegenüber der Nobelpreisakademie gestand, die ihn bis dato vergeblich zu kontaktieren versucht hatte. Dann kam doch sein Rückruf, in dem er laut Sekretärin der Akademie sagte, er schätze die Ehrung sehr und nehme den Preis an.

 

Mitte November aber meldete das Komitee, Dylan komme nicht zur Preisverleihung nach Stockholm. Er habe per Brief abgesagt: »Er wünschte, er könnte den Preis persönlich entgegennehmen, aber andere Verpflichtungen machen das leider unmöglich. Er betonte, dass er sich durch den Nobelpreis sehr geehrt fühlt«, heißt es in der entsprechenden Erklärung der Akademie.

 

»Dass ein Nobelpreisträger nicht nach Stockholm reisen kann, um den Preis entgegenzunehmen, ist ungewöhnlich, aber nicht außergewöhnlich«, kommentierte die Jury die Absage.

 

Auch andere Preisträger haben schon für die Preisverleihung abgesagt, aus ganz verschiedenen Gründen – so die kanadische Autorin Alice Munro (2013), die englische Autorin Doris Lessing (2007), der englische Dramatiker Harold Pinter (2005) und die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek (2004). Der französische Schriftsteller und Philosoph Jean-Paul Sartre lehnte 1964 die Auszeichnung kategorisch ab, ebenso wie 1925 der irische Schriftsteller George Bernard Shaw, der sich aber noch umstimmen ließ. Er nahm zwar nicht an der Feier teil, aber das Preisgeld an und verschenkte es an eine englisch-schwedische Literaturstiftung. 1958 verzichtete der russische Schriftsteller Boris Pasternak auf den Preis, auf Druck seiner Regierung.

 

Der vereinnahmungsscheue Mann aus Kalifornien – auch frühere Ehrungen waren nicht unbedingt Feste der Fröhlichkeit – kommt zwar nicht nach Stockholm, aber dennoch nicht ungeschoren davon. Der Preis, zu dem das Nobel-Diplom, eine Urkunde, sowie eine Medaille und acht Millionen schwedische Kronen (810.000 Euro) gehören, ist mit einer Bedingung, einer einzigen Voraussetzung verknüpft: »Wir freuen uns auf Bob Dylans Nobel-Vorlesung«, erklärte die Akademie, »die er innerhalb von sechs Monaten ab dem 10. Dezember 2016 halten muss.«

 

Es kann also noch einmal anstrengend werden für unseren Poeta laureatus, ganz so, wie er im »SONG TO WOODY« (Guthrie) sang: »I’m a-leavin‘ tomorrow, but I could leave today / Somewhere down the road, someday / The very last thing that I’d want to do, / Is to say, I’ve been hittin‘ some hard travelin’ too«.

 

Was in etwa bedeuten mag: Am Ende möchte ich sagen können, auch ich habe harte Touren mitgemacht.

 

Vielleicht singt er ja davon, statt zu reden? Vielleicht im kommenden Frühjahr? Immerhin soll neuesten Agenturmeldungen zufolge sein Management gegenüber den Preisverleihern bestätigt haben, dass Dylan 2017 nach Schweden kommen werde und Auftritte geplant seien. Bei der Gelegenheit könnte er seine »Nobel-Vorlesung« halten und den Preis entgegennehmen.