PEPP. Ein solcher Begriff entsteht mitunter, wenn Bürokraten und Lobbyisten ihrem Tun Strahlkraft und Wichtigkeit verleihen wollen. Die Abkürzung PEPP steht für Pan European Pension Product. Vorgestellt hat das Konzept im Sommer Valdis Dombrovskis, der Vize-Präsident der Europäischen Kommission. Und nun wird es eifrig in den Mitgliedsländern beraten. Es soll der privaten Altersvorsorge europaweit zu neuem Schub verhelfen. Man könnte auch sagen, es geht darum, wie man die Geschäfte der Finanzwirtschaft kräftig ankurbelt. Denn die muss feststellen, dass bislang erst 27 Prozent der EU-Bürger zwischen 25 und 60 Jahren eine private Altersvorsorge abgeschlossen haben. Durch PEPP soll sich das in Altersvorsorgeverträgen gesparte Vermögen laut EU glatt verdreifachen: auf 2,1 Billionen Euro.
Es kommt damit so langsam auf die Schiene, wofür die Lobbyisten von Versicherungen, Banken und Vermögensverwaltern bereits viele Jahre gearbeitet haben. Ähnlich wie in Deutschland mit den Riester-Reformen die Riester-Rente und die Entgeltumwandlung als feste Bestandteile der Altersvorsorge im Rahmen des sogenannten Drei-Säulen-Modells implementiert wurden, soll dies nun auch europaweit gelingen. Das PEPP soll einen Rahmen für private Altersvorsorge schaffen: Geplant ist, dass die Gelder in fünf unterschiedlich riskante Anlageoptionen fließen, wobei eine Option so gestaltet sein soll, dass zumindest der Erhalt des eingezahlten Geldes garantiert wird. Alle fünf Jahre hätten die Sparer das Recht, sowohl die Anlageoption als auch den Anbieter bei limitierten Kosten zu wechseln. Auch beim Umzug in ein anderes EU-Land sollen die Verträge ohne Verlust bestehender Vorteile weitergeführt werden können. Zugelassen und kontrolliert werden die PEPP-Verträge durch die europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen, EIOPA. Angestrebt werden verbraucherfreundliche und transparente Bedingungen. »Wir wollen einen europäischen Qualitätsstandard für Altersvorsorgeprodukte schaffen«, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis. Das klingt ambitioniert, aber es bleibt festzuhalten: Es ist weder eine radikale Kostenbegrenzung vorgesehen, noch ist ausgeschlossen, dass die Sparer mit PEPP Geld verlieren. Allianz & Co. winken hingegen durch PEPP Milliardengewinne. Ob und in welcher Form das europäische PEPP kommen wird, ist allerdings noch unsicher. Da bei Altersvorsorge und Rente die Steuern immer eine wichtige Rolle spielen, geben die Einzelstaaten hier das Heft des Handelns nicht so leicht aus der Hand.
Das Signal, das von PEPP ausgeht, ist höchst bedenklich. Wenn sich nun Ausschüsse, Parlamente und Regierungen mit einem solchen Vorhaben auseinandersetzen, dann ist die Botschaft eindeutig: Die staatliche Rente schafft es nicht, sie muss durch ein privates Produkt ergänzt werden. Das jedoch ist eine falsche und höchst gefährliche Botschaft. Noch gibt es Länder, die sich dem Zeitgeist einer Rentenprivatisierung widersetzen. Wie das Beispiel Österreich zeigt, ist eine umlagefinanzierte Rente durchaus in der Lage, die Bevölkerung im Alter sicher und ausreichend zu versorgen. In der Alpenrepublik bekommen die Männer im Schnitt rund 1000 Euro und die Frauen im Schnitt rund 500 Euro mehr als in Deutschland. Auch in anderen Ländern werden die Rentner oder Pensionäre durch ein obligatorisches staatliches System besser gestellt als hierzulande. In vielen Ländern sorgen zudem Mindestrenten dafür, dass Kleinverdiener ein Alterseinkommen deutlich oberhalb der Sozialhilfe garantiert bekommen. Wäre es deshalb nicht viel wichtiger, solche Regelungen europaweit zu harmonisieren, um sicherzustellen, dass alle Bürger im Alter vor Armut geschützt sind?
Dass eine private Altersvorsorge, besonders wenn sie durch die Lebensversicherer bereitgestellt wird, einen effektiven Beitrag zur Armutsvermeidung leisten könnte, darf bezweifelt werden. Was die klassischen Lebens- und Rentenversicherungen angeht, konnte gezeigt werden, dass die meisten Kunden damit sogar Geld verlieren. Das liegt an den sehr hohen Kosten dieser Produkte, an den hohen Verlusten bei vorzeitiger Kündigung (über die Hälfte dieser Verträge werden vorzeitig gekündigt!) und den im Falle von Privatrenten sehr ungünstigen Verrentungsfaktoren, die bei einem nur durchschnittlichen Lebensalter für den Versicherten zu nahezu sicheren Verlusten führen.
Die Arbeitnehmerkammer Bremen konnte bereits 2015 nachweisen, dass die Einführung des Drei-Säulen-Modells in Deutschland, also die Absenkung der gesetzlichen Rente bei gleichzeitiger Ergänzung durch eine private Vorsorge (Riester-Rente) und eine ebenfalls kapitalgedeckte Betriebsrente, zu einem deutlich schlechteren Versorgungsniveau geführt hat.
Dennoch lassen die Lobbyisten der Finanzwirtschaft nicht locker, streuen weiter die Mär von den angeblich nicht zukunftsfesten staatlichen Renten und dem Erfordernis von viel mehr privater Altersvorsorge. Die EU-Kommission scheinen sie damit überzeugt zu haben. Dabei sollte nach rund 15 Jahren Rentenprivatisierung in Deutschland eigentlich eines klar geworden sein: Es sind nicht die Bürger, die Riester- oder PEPP-Verträge brauchen. Es ist die Finanzwirtschaft, die sich hiervon ein sicheres Geschäft verspricht.
Holger Balodis ist Autor und Fachmann für Alterssicherung. Sein neuestes Buch: »Die große Rentenlüge – warum eine gute und bezahlbare Alterssicherung für alle möglich ist« (Westend, 208 Seiten, 18 €).