Unsere Zustände
Wir werden immer schneller! Eines Tages nehmen wir Stromlinienform an.
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In ihren umzäunten Vorgärten züchten sie Rosen. Und wehe, es kommt einer und riecht daran!
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Vielleicht wird Weihnachten diesmal ein Fest, wo vielen ein Licht aufgeht.
Wolfgang Eckert
Märchen
Acht Jahre war eine Dompteuse mit ihrem dressierten Affen aufgetreten. Dann wurde der Beifall spärlich, was erstere nicht sehr störte, letzteren aber bewog, sich zwecks Läuterung von der Bühne zurückzuziehen und mit Absolutheit zu verkünden, man werde sich nicht gleich wieder zum Affen machen.
Die Herrin zog ihren Plan B aus der Tasche und versuchte es mit zwei halbgezähmten Affen, von denen einer nach vierwöchigem Probetraining lieber gar nicht als schlecht auftreten wollte. Der Zirkusdirektor mahnte nun nach dem Scheitern des Dreierauftritts den in Opposition befindlichen, altgedienten Affen, sich auf seine Verantwortung für den Zirkus und das Zirkusvolk zu besinnen. Die Dompteurin bot großzügig zwar keine Kompromisse, aber wenigstens Kompromissbereitschaft an. Eine Kompromissmissgeburt steht kurz bevor.
Dietrich Lade
Abrüsten statt aufrüsten
Die Bundesregierung plant, die Rüs-tungsausgaben nahezu zu verdoppeln, auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP). So wurde es in der NATO vereinbart. Gegen diesen Wahnsinn versucht ein Aufruf prominenter PolitikerInnen, JournalistInnen und KünstlerInnen anzugehen. Jeder kann unterschreiben: https://abruesten.jetzt/
K. K.
Der Verleger: Elmar Faber
Wie kein anderer prägte Elmar Faber das Verlagswesen der DDR. Von 1983 bis 1992 war er Chef des Aufbau-Verlags, zu dem auch der Verlag Rütten & Loening gehörte. Geboren wurde Faber am 1. April 1934 im Thüringischen Deesbach. Nach dem Abitur studierte er an der Karl-Marx-Universität in Leipzig Germanistik. 1956 wurde der Student Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED), der er über die Wende hinaus die Treue hielt.
Nach seinem Studium verdiente sich Faber erste Sporen bei der Wissenschaftlichen Zeitung der Leipziger Universität als Chefredakteur. 1968 ging er zum Bibliographischen Institut Leipzig, hier war er als Verlagsassistent tätig. Reiseliteratur der DDR, Heimat- und Wanderkarten, auch Stadtpläne gehörten zum Verlagsprogramm. Von 1975 bis 1983 stand Faber an der Spitze mehrerer großer Verlage, so bei der Edition Leipzig, die mit ihren Büchern für die DDR auch Devisen beschaffte. Dann wurde Elmar Faber mit der Leitung des Aufbau-Verlages beauftragt – eine Aufgabe, für die Fingerspitzengefühl nötig war. Elmar Faber leitete den Verlag neun Jahre, auch während der sogenannten Wende, besser: der Übernahme der DDR. Schließlich kaufte Bernd F. Lunkewitz, ein Immobilieninvestor aus Frankfurt, der sich von 1967 bis 69 für die KPD/ML engagiert hatte, am 18. September 1991 den Verlag und setzte Faber den Stuhl vor die Tür. Dabei hatte Faber mit von ihm ini-tiierten Taschenbuchreihen und Editionen wie Erwin Strittmatters »Laden-Trilogie« vereint mit den Autoren Christoph Hein, Wolfgang Hilbig und Heiner Müller den Verlag gerettet.
Elmar Faber ging als selbständiger Verleger zusammen mit seinem Sohn Michael und dem bereits 1990 in Berlin gegründeten Verlag Faber & Faber zurück nach Leipzig (s. auch Ossietzky 14-15/2010 Matthias Biskupek: »Zwanzig Jahre Faber & Faber«). Es war sein Bekenntnis zum ehemals wichtigsten Verlagsstandort. Es erschien die DDR-Bibliothek, auch mit DDR-kritischen Autoren, auf 40 Bände angelegt. Die Reihe endete mit Erich Loests »Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene«. Ein Hamburger, der Loest folgen sollte, wollte nicht mehr.
Im »Faber & Faber«-Programm erschienen bibliophile Bücher, unter anderem »Karl Marx – Das Kapital« – zwei Bände, illustriert von Klaus Waschk, »Goethes Faust« – zwei Teile, illustriert von Bernhard Heisig und Max Slevogt. Und Miguel de Cervantes Saavedras von Ludwig Tieck übersetztes Werk »Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha« mit farbigen Zeichnungen von Sighard Gille. 2011 zog sich Elmar Faber aus dem Verlag zurück, sein Sohn konnte den Verlag nicht fortführen, da er für die Linke als Leipziger Kulturbürgermeister tätig war.
Elmar Faber ist am 3. Dezember 2017 in Leipzig gestorben.
Karl-H. Walloch
Fabers Heimaad und Sprache
Dass Elmar Faber auch ein veritabler Kenner seiner Geburtsheimat war, deren Mundart er durchaus beherrschte, hörte ich eines Tages im Dezember 2005. Da saß er in meiner Wohnstube und sprach: »Biskupek, Sie schreim mir ä Buuch über meine Heimaad!« Denn er kannte genauestens die Kräuter und Fichten und Bäche und Dörfer um Deesbach und Oberweißbach. Er beklagte damals, dass es zwar ein paar Sachbücher gäbe, aber eben »nischd Belledrisdisches«.
Nachdem ich in seinem Verlag 2007 meine »Streifzüge durch den Thüringer Kräutergarten« publiziert hatte, schrieb er einige Jahre später selber über seine Jugend in verschiedenen Kurzgeschichtenbänden und in seinen Memoiren »Verloren im Paradies – ein Verlegerleben«. Im Nachruf der Welt wird dieses Werk im Ton »eher larmoyant als brillant« genannt. Merke: Benennt ein westdeutscher Autor Ungemach und Ungerechtigkeit dieser Welt, ist das kämpferisch, solidarisch, mutig und unbeirrt. Bei Ostmenschen ist das immer »larmoyant«. Dabei trifft genau dieses Adjektiv nie und nimmer den heiteren, klugen, gewiss auch irrenden Elmar Faber.
Matthias Biskupek
Über die Gleichheit
Uwe Timm verknüpft mit seinem neuesten Roman zwei Stoffkomplexe: Zum einen erlebt sein Protagonist Michael Hansen, ein in Hamburg geborener amerikanischer Offizier, Deutschland unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Ein Besatzer, der deutsch spricht, Haus und Auto der Verlierer beschlagnahmt und ihnen Kaugummi und Kaffee schenkt. Zum anderen sucht er im Auftrag seiner Vorgesetzten nach Spuren von Alfred Ploetz, einem Rassentheoretiker, der mit seinen Forschungen und Theorien die Euthanasie der Nazis mitbegründete und unterstützte. Ausgerechnet ein früherer Freund des Professors, ein Antifaschist, erzählt Hansen, wie Ploetz zu seinen verhängnisvollen Ideen gekommen ist.
Das klingt vielleicht ein bisschen trocken und konstruiert, ist aber ein spannendes und interessantes Buch, geht es doch immer um die Möglichkeiten, die vorhandene Welt einzurichten. Ploetz und sein früherer Freund wollten in ihrer Jugend die Gesellschaft zum Guten ändern: Gerechtigkeit und Gleichheit für alle, was auch den Verzicht auf Privateigentum und sogar Alkohol einschloss. Alle sollten gleich stark sein. Von da bis zur Vernichtung der Schwachen – das war der Weg von Alfred Ploetz. Aus der Utopie wurde Barbarei. Statt Demut Fanatismus.
Timm hat sich ziemlich genau an die Biographie des tatsächlichen Rassenideologen gehalten, was den Reiz des Buches noch erhöht.
Christel Berger
Uwe Timm: »Ikarien«, Roman, Kiepenheuer & Witsch, 506 Seiten, 24 €
Weihnachtsmärchen
Wir kennen eine Weihnachtsmär
An die noch viele Menschen glauben
Die Sache ist schon lange her
In einem Land der süßen Trauben
Es gab vom Kaiser ein Gebot
Das brachte vielen große Not
Der Kaiser wollte Menschen zählen
Natürlich durfte keiner fehlen
Drum mussten sie im Lande wandern
Von ihrer Stadt zu einer andern
Auch Josef und Maria waren
Gezogen mit den Menschenscharen
Da kamen sie in eine Stadt
Wo man für sie kein Obdach hat
Sie klopften zwar an manche Tür
Und fanden doch kein Nachtquartier
So haben sie denn nachgedacht
Wo bleiben wir nur heute Nacht
Geschlossne Türen überall
Sie landeten in einem Stall
Maria dort ein Kind gebar
Weil sie schon lange schwanger war
Das Kindlein fiel ins weiche Stroh
Aus dem der warme Ochse floh
Maria macht das Bett bereit
In einer Krippe auf dem Stroh
Der Ochse brummt, der Esel schreit
Das Kindlein aber das ist froh
Es trinkt an seiner Mutter Brust
Es lacht und quiekt vor lauter Lust
Maria sagt mit letzter Kraft
Das haben wir erst mal geschafft
Auch damals gab es schon wie heute
Verlassene und arme Leute
Die unterm Sternenhimmel liegen
Und nie ein Bett zum Schlafen kriegen
Auch in der Nacht von der wir reden
Gibt es kein Nachtquartier für jeden
Die Hirten auf dem Felde schlafen
Und wärmen sich an ihren Schafen
Doch plötzlich wird am Himmel Licht
Sie wachen auf und wundern sich
Da fliegen Engel mit Posaunen
Verständlich dass die Hirten staunen
Dann hören sie die Engel singen
Dass sie der Welt den Frieden bringen
Da freuen sich die Hirten sehr
Und hören von der frommen Mär
Uns sei ein Heiland jetzt geboren
Von einer Jungfrau auserkoren
Ein Heiland, der uns bald befreit
Von aller Not und Traurigkeit
Dann kamen aus dem Morgenland
Drei Könige schnell angerannt
Die hatten einen Stern gesehen
Der leuchtete besonders schön
Der stand hoch oben überm Stall
Man sah ihn wohl von überall
So hatten sie in ein paar Stunden
Den Weg zu diesem Stall gefunden
Und brachten Gold und Edelstein
In diesen armen Stall herein
So lautet diese Mär noch heute
Ja, glaubt sie nur, ihr guten Leute
Ihr kennt sie ja aus Kindertagen
Da stellte man noch keine Fragen
Seid mit der schönen Mär zufrieden
Und wartet auf den Weltenfrieden
Heinrich Hannover
Wir schenken uns nichts
Man will es einfach nicht glauben …, aber die letzten Tage des Jahres 2017 vergehen wie Fluge. Und plötzlich steht Weihnachten vor der Tür. Stress ist angesagt: Ist der Baum schon gekauft, die Gans schon im Kühlschrank? Und schließlich noch die leidigen Geschenke. Jedes Jahr nehmen wir uns vor, sie bereits im Sommer zu kaufen. Doch ehe wir uns versehen, sind wir mittendrin im Weihnachtstrubel, und wie jedes Jahr geht es dann in den Geschenkenahkampf.
Von wegen besinnliche Adventszeit. Wir haben den Eindruck, dass sich jetzt die Welt ein bisschen schneller dreht. Wir stürzen in die Kaufhäuser und Supermärkte, wo in allen Abteilungen »Jingle Bells« dudelt, obwohl es eigentlich »süßer die Kassen nie klingeln« heißen müsste. In Panik kaufen wir Geschenke, die die Welt wirklich nicht braucht. Und wer erst am Heiligabend merkt, dass Weihnachten ist und noch kein Geschenk hat, muss an diesem SOS-Tag eben zu Socke, Schlips, Parfum oder Pralinenkasten greifen. Weil der 24. Dezember in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt, ist die Lage besonders brisant. Tankstellen-Shops frohlocken vermutlich schon.
Daher beschloss der Familienrat schon im Sommer: Zu Weihnachten schenken wir uns dieses Jahr nichts! Ein vernünftiger Beschluss, denn der vorweihnachtliche Geschenkeeinkauf vermiest einem die ganze Adventszeit. Doch nichts ist so leicht dahingesagt wie dieses Nichts-schenken-Versprechen. Weihnachten und Vernunft passen irgendwie nicht zusammen. Und so bleibt der gute Vorsatz eine zahnlose Absichtserklärung, denn nur abgebrühte Charaktere stehen den frommen Wunsch bis zum Heiligabend durch. Getrieben vom schlechten Gewissen wird dann doch etwas gekauft – eine Kleinigkeit, wie es so schön heißt. Anscheinend gehören Geschenke zum Weihnachtsfest, sonst hat man ja hinterher nichts zum Umtauschen.
Manfred Orlick
Tipp der Redaktion: Ein Ossietzky-Geschenkabo erspart Kaufhausgewühl und Umtauschstress Bestellschein siehe Umschlag.
Zuschrift an die Lokalpresse
Die Regionalnachrichten im Fernsehen wie auch die Tageszeitungen bringen immer wieder beunruhigende Meldungen über Gefahren, die von Wildtieren ausgehen. Neuerdings werden nicht nur Schafe durch Wölfe, sondern auch Jäger durch Wildschweine gerissen, so bei einer Treibjagd in der Umgebung von Greifswald. In Thüringen ging es sogar so weit, dass ein mit einer Warnweste ausstaffierter Hirsch durch die Landschaft galoppierte und mit seinen Hufen eine friedliche Bürgerin aus Sülzhayn attackierte (Berliner Kurier vom 5.12.). Nun wird polizeilich untersucht, wer die Weste dem Tier über das Geweih gestreift hat. Kein Wunder, dass gefordert wird, außer den professionellen Jägern und Hegern des Wildes auch die Normalverbraucher mit Waffen, Spray und Kleidung gegen die Wildgefahr auszurüsten oder Bundesbürger in gut gesicherten Reservaten vor aufmüpfigem Wild zu schützen. – Hugo Damhirsch (42), ehrenamtlicher Treiber, 08301 Wildbach
Wolfgang Helfritsch