»Die Putschisten in Honduras sind am Ziel«, titelt die Berliner Zeitung. Die Aussage trifft zu, greift aber zu kurz. Am Ziel ist auch die Regierung Obama. Der US-Präsident hatte bekanntlich mit der Parole »change« seinen erfolgreichen Wahlkampf geführt. Was darunter zu verstehen ist, hatte seine Außenministerin zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt: Die US-Außenpolitik wolle ihre Ziele mithilfe von »smart power« erreichen. Zu deren Repertoire gehört offensichtlich auch etwas, das Soldaten als »Tarnen und Täuschen« vertraut ist, in der Sphäre der Politik jedoch seinen profanen Charakter als Überlebenshilfe im Krieg ablegt und mit den höheren Weihen des Niccolò di Bernardo dei Machiavelli versehen wird. Im 18. Kapitel seines »Il Principe« beantwortet er die Frage, ob der Fürst verpflichtet sei, Abmachungen einzuhalten, mit der Erfahrung, daß Fürsten, die Großes tun, wenig Rücksicht auf ihr gegebenes Wort nehmen. Worin die großen Taten bestehen, findet sich am Ende des Kapitels: »Siegen und seine Herrschaft behaupten.«
Nehmen wir Honduras als Beispiel! Im State Department erweckte Hillary Clinton den Eindruck, als wolle ihre Regierung zwischen den Putschisten und dem von ihnen aus dem Amt gejagten und entführten rechtmäßigen Präsidenten von Honduras, Zelaya, vermitteln. Bei einem Besuch in Moskau versicherte Obama: »Amerika unterstützt die Wiedereinsetzung des demokratisch gewählten Präsidenten von Honduras, obwohl dieser sich entschieden gegen die Politik Amerikas gewandt hat.« Am 3. September wurde Zelaya in Washington von der US-Außenministerin empfangen. Nach dem Treffen kündigten die USA an, sämtliche Hilfe für Honduras auf Eis zu legen, bis das mittelamerikanische Land wieder zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt sei. Noch am 30. Oktober wurde der Schein aufrechterhalten. Unter maßgeblicher Mitwirkung der USA unterzeichneten die legitime Regierung und die Putschisten ein Abkommen über eine Einheitsregierung mit dem Ziel, den Regierungszustand vor dem Putschtag, dem 28. Juni, wiederherzustellen. Gleichzeitig wurden Präsidentenwahlen für den 29. November vereinbart. Schon wenige Tage später wurde klar, daß der amtierende Putschpräsident Micheletti nicht im Traum daran dachte, Zelaya in sein Amt zurückkehren zu lassen. Wer die Verhältnisse in Honduras kennt, weiß, daß er und seine Helfer aus den zehn Familien, die das Land kontrollieren, nicht ohne Einverständnis mit Washington handeln. Von dort kommen nunmehr auch eindeutige Signale, daß man die von der herrschenden Oligarchen-Clique gesteuerten und kontrollierten Wahlen, aus denen der rechtsgerichtete Großgrundbesitzer Porfirio Lobo als Sieger hervorgegangen ist, als rechtmäßig anerkennen werde. Lobo, mit der Enrique Soto Cano Air Force Base der USA als Rückendeckung, führte umgehend eine Entscheidung des honduranischen Parlaments gegen die Rückkehr Zelayas bis zum Ende seiner Amtszeit herbei.
Im Rückblick besteht Klarheit: Die USA sahen in der Annäherung Zelayas an das von Venezuela dominierte Wirtschaftsbündnis ALBA und in den von ihm durchgesetzten kleinen Verbesserungen für die Armen die Gefahr, daß sich der Halbkontinent noch weiter von ihrer Herrschaft emanzipiert. Principe Obama traf erst gar keine Abmachungen. Er zeigte sich smarter. Er heuchelte.
Von der EU, dem Raum des Friedens, der Freiheit, der Demokratie und des Rechts, ist nichts mehr zu hören, seitdem im Sommer die Botschafter aus Honduras abgezogen wurden. Der schnöde Mammon regiert inzwischen wieder unter dem Motto: Bloß den Anschluß nicht verlieren. Eine eigene Wahlbeobachtungsmission wird das Alibi liefern, alsbald wieder zur diplomatischen Normalität zurückkehren zu können. Das wird sich rächen. Von den USA erwartet kein lateinamerikanisches Land eine Politik, die sich von der Monroe-Doktrin löst. Doch bevor sich Lateinamerika einer EU zuwendet, die in neokoloniale Attitüden zurückfällt, wird man es eher mit anderen versuchen. Zum Beispiel mit China oder Rußland.