Wo die Hardenbergstraße die Knesebeckstraße trifft, werden solche Kurse und Legenden vorgeführt: im Renaissance-Theater.
Ein Dichter wußte fast alles über den rechten Weg:
Bei jedem Kilometerstein
Jahr um Jahr
Weisen die dümmsten Greise der Erde
Die Kinder ins Leben ein
Mit zementierter Gebärde.
Leider ist Jacques Prévert schon 1977 gestorben. Seine Chansons sind noch so springlebendig wie die von Jacques Brel (1929–1978), die mir in den Ohren klingen, seit Gisela May und Matthias Freihof sie mit Tobias Morgensterns grandiosem Ensemble »l’art de passage« dort hineinbefördert haben; auf einer Buschfunk-CD sind sie fixiert.
Nun aber erleben wir ein wunderbares Wieder-Hören mit Dominique Horwitz und seinem neuen Brel-Programm im Renaissance-Theater. Das wunderbare Wieder-Hören ist (ich bin kein Freund großer Worte, komme aber hier nicht ohne solche aus) ein phantastisches Erlebnis – was nicht nur dem Sänger zu verdanken ist, sondern auch seinen Musikern, die hinter ihm sitzen und zugleich in jeder Note, jedem Ton, jeder Pause »hinter ihm stehen«. Ihre virtuos beherrschten Instrumente bilden mit Horwitz’ Stimme einen Klangkörper, der Brel heißt. 20 Chansons werden in etwa 130 Minuten brillant vorgetragen. Dazwischen gibt’s eine kleine kurze Pause, in der man einen Schluck Wasser trinken oder einen Hustenbonbon lutschen kann.
Horwitz stellt jedes Lied mit wenigen deutschen Worten so klar und deutlich vor, wie er es dann in französischer Sprache singt. Seine mimischen und gestischen Kommentare wirken hingetupft: flüchtig und geistreich. Seine Begleiter: der Pianist Jakob Vinje, Jacob Neubauer am Akkordeon, der Gitarrist Andreas Dopp, Johannes Huth am Kontrabaß und der Schlagzeuger und Geräusch-Artist Dirk Achim Dhonau hatten soviel Spaß an Horwitzens unwiderstehlichem Charme wie wir an ihrem Spiel. Am Erfolg wirkten außerdem nach Kräften mit Christoph Israel (Arrangements). Birte Horst (Lichtgestaltung), Tongestalter Falco Ewald (!) und der Regieassistent Felix Bachmann. Sowie, mit Begeisterung, das p. p. Publikum.
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Ein paar Tage zuvor hatte im gleichen Haus Lutz Hübners »Blütenträume« (Mitarbeit: Sarah Nemits) erfolgreiche Premiere. Das Stück des angeblich meistgespielten Gegenwartsautors auf deutschen Theaterbühnen (wir können die Angabe nicht überprüfen) handelt von Ruheständlern, die im bisherigen Leben etwas versäumt zu haben glauben und sich einem Volkshochschul-Lehrgang »Flirtkurs 55 plus« anvertrauen, der ihnen aber auch nicht den direkten Weg zum Rentnerglück vermittelt. So nehmen sie die Sache in die eigenen Hände und Beine und so weiter. Von Torsten Fischers Rentner-Remmidemmi-Inszenierung waren die anwesenden Rentner so begeistert, daß sie am Schluß im Parkett zu tanzen begannen. Wir freuten uns darüber, so bewährte und sympathische Künstler wie Imogen Kogge, Renate Krößner, Anuka Mauer, Tina Engel sowie Michael Rastl, Bernd Stegemann, Michael Hanemann und Guntbert Warns mal wieder in Aktion zu sehen.