Anläßlich der »Langen Nacht der Museen«, die Berlin seit Jahren regelmäßig veranstaltet, taucht immer wieder die Frage auf, warum die Stadt eigentlich über kein Theatermuseum verfügt, einen Ort, an dem die reiche Theatertradition Berlins anschaulich aufbereitet und dargestellt ist. In der Tat gehört Berlin zu den wenigen europäischen Metropolen ohne zentralen Erinnerungsort an seine Theatergeschichte. Und mit Neid denkt man beispielsweise an die großen theaterhistorischen Sammlungen Moskaus, das berühmte Alexej-Bachruschin-Museum oder die Präsentationen des Moskauer Künstlertheaters und die Jermolowa-Gedenkstätte.
Ansätze für ein Theatermuseum in Berlin gab es freilich bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ihnen geht jetzt Ruth Freydank, die langjährige Leiterin der Abteilung Theatergeschichte des Märkischen Museums, in einer zweibändigen Monographie nach, in der sie die Geschichte des Museums der Preußischen Staatstheater und seiner umfangreichen Sammlungen untersucht. Das Museum entstand 1929 auf Initiative des Schauspielers und Dramaturgen Georg Droescher in einem ehemaligen Pferdestall in der Oberwallstraße und präsentierte auf der Basis vielfältigen Materials der beiden großen Bühnen Lindenoper und Schauspielhaus Gemälde, Marmorbüsten, Fotos, Requisiten, Autographen und zahlreiche Devotionalien aus nahezu 200 Jahren Berliner Theatergeschichte. Die Quellen, aus denen Droescher damals schöpfen konnte, waren beträchtlich. Künstlernachlässe und Programmzettel-Sammlungen gehörten ebenso dazu wie der originale Briefwechsel Friedrich Schillers mit August Wilhelm Iffland, dem Direktor des Nationaltheaters am Gendarmenmarkt, und zahlreiche andere Korrespondenzen, nicht zuletzt die wertvolle Theaterbibliothek der »Königlichen Schauspiele«.
Freydank geht in ihrer detailreichen Darstellung, die auf jahrelangen Archivrecherchen beruht, all diesen Quellen mit beeindruckender Akribie nach. So ist ihr eine Publikation gelungen, die ob ihres Faktenreichtums nicht nur für den Theaterhistoriker wertvoll ist, sondern darüber hinaus jedem Theaterfreund Wissenswertes bietet.
Mit dem Zweiten Weltkrieg war auch das Schicksal des Theatermuseums besiegelt, dessen Bestände im Bomben- und Trümmerchaos der Kriegs- und Nachkriegszeit in alle Winde zerstreut beziehungsweise vernichtet wurden. Vieles, was nach 1943, dem Beginn der verstärkten Luftangriffe auf Berlin, ausgelagert worden war, muß als unwiderbringlich verloren gelten. Die reiche Illustration des Werkes, unter anderem mit Fotografien aus der Geschichte des Schauspielhauses (heute: Konzerthaus), ist ein zusätzlicher Anreiz für seine Lektüre.
Für ein zukünftiges Berliner Theatermuseum engagiert sich zur Zeit eine »Initiative TheaterMuseum«, ein eingetragener Verein, der im vergangenen Jahr die Ausstellung »Faszination der Bühne« zeigte.
Ruth Freydank: »Der Fall Berliner Theatermuseum Teil I Geschichte – Bilder – Dokumente«, Pro Business Verlag, 346 Seiten, 34,90 €; »Teil II Relikte einer ehemaligen Theaterbibliothek – Dokumentation, 382 Seiten, 29,90 €. Bezug über www.book-on-demand.de oder im Buchhandel