Am 11. November verschickte der spanische Medienkonzern PRISA per E-Mail die ersten Kündigungen an 52 Kollegen der Zeitung El País. Ein dreitägiger Streik der Redaktion im Vorfeld hatte PRISA nicht von seinem Vorhaben abbringen können. Der Betriebsrat der Zeitung spricht von gravierenden Managementfehlern der Konzernleitung, für die nun die Journalisten mit dem Verlust des Arbeitsplatzes zahlen müssen.
Bereits mit der Gründung der Tageszeitung El País (Das Land) im Mai 1976, nur wenige Monate nach dem Tod des Diktators Franco, begann ihr Weg zur Ikone des spanischen Journalismus. Im ersten Editorial des Blattes vom 4. Mai heißt es: »Die Staatsreform hat noch nicht begonnen, soviel möchten wir Ihnen in unserer ersten Ausgabe sagen.« Von ihrem Start bis 1982 war die Zeitung eines der Symbole für den Übergang der Diktatur zur Demokratie, spanisch »transición« genannt.
Der Medienkonzern PRISA (Promotora de Informaciones S.A.), der El País verlegt, ist der Größte des Landes. Zu seinem Imperium gehören Printmedien wie die Wirtschaftszeitung Cinco Dias und die täglich erscheinende Sportzeitung Diario As, daneben die Buchverlage Santillana, Alfaguera und Taurus. Im Konzerneigentum befinden sich auch der größte Radiosender Spaniens Cadena SER, die Hörfunkkanäle Los 40 Principales, Cadena DIAL und Máxima FM sowie weitere Radiostationen in Portugal und Kolumbien. Mit der Fernsehtochter Sogecable ist der Konzern Marktführer des spanischen Pay-TV. Das Fernsehprogramm Digital + ist ein Teil davon. In eigenen Studios in Tres Cantos produziert der Konzern Programme für die hauseigenen Fernsehsender. In Portugal kontrolliert PRISA den Sender TV I. Das Fernsehgeschäft ist jedoch defizitär und brachte im Geschäftsjahr 2011 einen Verlust von 451 Millionen Euro.
Wegen hoher Schulden geriet PRISA bereits 2010 in finanzielle Schwierigkeiten. Als Heilsbringer stieg der deutsch-amerikanische Finanzinvestor Nicolas Berggruen mit der Liberty Acquisition Holdings Corporation ein und ließ sich feiern. Hierzulande wurde der Investor bekannt durch die Übernahme der Kaufhauskette Karstadt. Mit im Boot Martin E. Franklin. Die beiden, Berggruen und Franklin, wurden Großaktionäre des spanischen Medienkonzerns. Das finanzielle Engagement geschah sicherlich nicht aus philanthropischen Gründen. Trotz der Geldspritze der Liberty Acquisition Holdings Corporation in Höhe von 650 Millionen Euro mußte die PRISA-Gruppe Anfang 2012 ein Refinanzierungsabkommen mit den Gläubigerbanken abschließen, um die Fälligkeit um zwei Jahre hinauszuzögern.
El País jedoch ist kein Sorgenkind der Mediengruppe. Bereits seit dem vierten Jahr ihres Erscheinens schreibt die Tageszeitung Gewinne. Der Konzerngründer, Jesús Polanco, war als cleverer Geschäftsmann in Spanien bekannt. Seit seinem Tod führt Jan Luis Cebrián für PRISA die Geschäfte von El Pais, deren Chefredakteur er vor Jahren einmal war. Bis heute wurde nicht bekannt, welche Gründe Nicolas Berggruen bewegten, sich mit seinem an der Börse notierten US-Investmentfonds beim finanziell angeschlagenen Medienkonzern einzukaufen. Nicht leer ausgegangen ist bei dem Coup der Konzernchef Cebrián. Der, so eine spanische Wirtschaftszeitung, hat sich in der Krise ein Jahresgehalt von 13 Millionen Euro genehmigt, was große Proteste der Redaktion von El País hervorrief.
Nach Konzernangaben ist die Auflage der Tageszeitung El Pais seit 2007 um 18 Prozent gesunken und liegt heute bei 350.000 Exemplaren. In den Boomjahren waren es täglich 1,2 Millionen Exemplare. Seit Beginn der Wirtschaftskrise in Spanien ging das Anzeigengeschäft der Zeitung um 53 Prozent zurück – ein Einnahmenverlust von über 200 Millionen Euro. Gegenüber anderen spanischen Zeitungen hat El País noch immer relativ stabile Verkaufswerte. Aber der Chef des Mutterkonzerns setzt die Sparschere bei den Redakteuren seiner »goldenen Konzernkuh« an.
Eingestellt hat die Zeitung zudem ihre Regionalausgaben für Galizien, Andalusien, Valencia und das Baskenland. Einzig die Ausgabe für die Hauptstadt Madrid ist derzeit noch existent. Sparmaßnahmen unterliegt die Zeitung bereits seit 2008. So durften Redakteure nur noch selten auf Reisen gehen. Beiträge von freien Mitarbeitern dürfen heute nur noch selten angekauft werden, selbst Agenturmeldungen sind zu reduzieren. Vor Jahren nannte sich die Zeitung im Untertitel: »... unabhängige Morgenzeitung«, heute »... das Leitmedium in spanischer Sprache«. Wohl bei der Massenentlassung von Journalisten etwas übertrieben.
Die Nachricht, daß PRISA Kündigungen plant, kam für die Redakteure nicht unerwartet. Seit Frühjahr lag die Drohung in der Luft, daß – nachdem die konservative Regierung Mario Rajoys das neue arbeitgeberfreundliche Kündigungsgesetz beschlossen hat – PRISA einen massiven Personalabbau anstrebt.
Vor Jahren schrieb der Journalist Enric Gonzáles in seinem Beitrag für El País: »Eines Tages werden in jedem x-beliebigen Unternehmen die Löhne der Arbeiter gekürzt, um die Börsensucht ihrer Besitzer zu befriedigen.« Der Artikel erschien nicht. Die Herausgeber fühlten sich davon angesprochen und zensierten den Beitrag. Heute trifft diese Zeile auf PRISA zu.
Seit 2007 sind zehn Tageszeitungen in Spanien eingestellt worden. Im Februar 2012 traf es die linke Público, die seither versucht, als Internetzeitung zu überleben. In der Zeit des Umbruchs und der Krise haben im Land 8.000 Journalisten ihre Arbeit verloren.
Manuel Gonzáles, Betriebsratsvorsitzender von El Pais, sagte gegenüber Journalisten, weitere Kündigungen würden folgen. Auf Twitter schrieb der Journalist Ramón Lobo, als er am 11. November von seiner Kündigung erfuhr, Freunden nur: »Ich stehe auf der Liste.« Und Manuel Cuéllar bekannte: » Nach 17 Jahren bei El País bin ich nur eine Nummer.« Den Journalisten, die noch bei El Paìs ihren Dienst versehen dürfen, werden die Gehälter gekürzt. Mit dem Titel »Ikone des spanischen Journalismus« ist es für El Pais auf lange Sicht vorbei.