Das Publikum im Renaissance Theater, Berlins kleinstem Theater, fühlte sich wohl. Im Parkett war kein Klappsessel frei geblieben, auf den Rängen sah man nur vereinzelte Zuschau-Solisten, die bedeutungsvoll ihre Programmhefte und Köpfe bewegten, um den Holztisch und drei spartanische Sessel auf der engen Bühne zu bewundern. Altes Material, aber solide. Doch sehr bald wird die kurzzeitig nur schlicht möblierte Szene von drei sehr eindrucksvollen Darstellern belebt, die anfangs nur darstellen: Gudzuhn, Warns, Gallinowski. Zu Beginn haben sie sich und mit beredtem Schweigen viel zu sagen, nämlich nichts. Doch glänzend beherrschen sie schon anfangs ihre fast stummen Rollen: »Sitzen wir schon, oder kommen wir erst herein?« – »Ich sitze schon.« – »Wir kommen erst herein.«
Der intelligente Text beschreibt (gezielt oder zufällig) auch meine Situation im Zuschauerraum: Meine Frau und ich sitzen dort schon, seit wir hereingekommen waren. Wir sitzen am Rand der soundsovielten Reihe, so daß wir immer aufstehen müssen, wenn später eingetroffene Theaterfreunde, welche die soundsovielte Reihe erst jetzt gefunden haben, weil sie in der Dämmerung weder diese Reihe noch ihre Brille entdecken konnten, ihre Plätze einnehmen möchten. Gudzuhn, Warns und Gallinowski haben sich hinter den kargen Tisch gesetzt und kucken sich vielseitig an. Gudzuhn verkündet, daß er kein Mineralwasser mag. Kein Sonderapplaus. Gudzuhn hängt seine Jacke auf die Lehne seines Stuhls. Nachdem er entdeckt hat, daß es auf der Bühne nicht durchregnet, zieht er die Mütze von seinen schönen Haaren und steckt sie in die linke Seitentasche seiner Jacke. Die Mütze. Nicht die schönen Haare. So verging meine Zeit, die im Theater mir gegeben war (frei nach Brechts »An die Nachgeborenen«).
Theresia Walser, 1967 in Friedrichshafen geboren, besuchte die Hochschule für Musik und Theater in Bern, schloß dort eine Schauspielausbildung ab und war zunächst Ensemblemitglied am Jungen Theater in Göttingen. Aus ihren Texten, welche uns das Theaterkenner-Triumvirat in der Knesebeckstraße sachverständig und mit angenehmer Ironie präsentierte, erfährt der Zuhörer und Zuschauer mehr, als er jemals vom Charakter der Theater-Helden und ihrer Dramatik erfahren hat.
Kurz gesagt: Wer die Bühne, die Bühnenkunst und die Bühnenkünstler sympathisch findet, wird sie nach dieser besinnlichen Veranstaltung schätzen und ihnen auch künftig zugetan bleiben.