Bei aller Kontroverse um TTIP und CETA, eines wird von keiner Seite, ob Gegner oder Befürworter, bestritten: Die großen transnational operierenden Konzerne würden den größten Nutzen aus diesen Freihandelsabkommen ziehen. Ja, gerade ihretwegen, um ihre Investitions-, Produktions- und Handelsaktivitäten zu erleichtern, sind diese multilateralen Verträge von den Regierungen konzipiert worden. Die Abkommen sollen jetzt mit maximalem politischen Aufwand gegen den Widerstand weiter Teile der internationalen Zivilgesellschaft durchgesetzt werden. Ein interessantes Kapitel aus dem Lehrbuch zum staatsmonopolistischen Kapitalismus. Regeln oder gar Einschränkungen, die die immer wieder beklagten schädlichen Auswirkungen der internationalen Konzernaktivitäten vermeiden sollen und die Unternehmen an die Einhaltung der Menschenrechte binden, haben in den Abkommen keinen Platz. Es gibt auch keinen vergleichbaren politischen Aufwand, das Völkerrecht und besonders das internationale Wirtschaftsrecht zum Schutz der Bevölkerungen und ihrer Lebensressourcen in den betroffenen Ländern auszugestalten. Wolfgang Kaleck und Miriam Saage-Maaß haben nun in einem knappen, aber informativen Büchlein für das Ungleichgewicht zwischen Wirtschafts- und Menschenrechten eine eindeutige Erklärung: Es ist Ausdruck der globalen Machtverhältnisse. »Das hegemoniale neoliberale Paradigma wie auch die neokoloniale Dominanz setzen sich im Völkerrecht fort.«
Dass dies immer noch so ist und sich auch so schnell nicht ändern wird, machen Autor und Autorin in ihrem Resümee am Ende des ersten Kapitels über »Die globalisierte Wirtschaft und ihre Folgen« deutlich: »Während also in West- und Mitteleuropa lang erkämpfte, relativ akzeptable Arbeits- und Sozialstandards zusehends zurückgenommen werden, bringt im Gegenzug die sich verlagernde globale Produktion keine neue soziale Teilhabe und selten würdige Arbeitsbedingungen.« Zwar haben eine Reihe von Initiativen und Bewegungen, von der Corporate Social Responsibility, über die sogenannten Social Audits bis zu Massenprotesten versucht, sich dieser negativen Entwicklung entgegenzustemmen, doch weitgehend vergeblich. Sie vermögen bestenfalls zu einer Linderung des Elends beizutragen, eine strukturelle Veränderung bewirken sie nicht.
Trotz der grundsätzlichen Schwäche der Menschenrechte gegenüber dem Wirtschaftsrecht hat es in den letzten Jahren eine zunehmende Anzahl zivil- und strafrechtlicher Verfahren gegen Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen gegeben. Das Buch informiert über die Schadensersatzklagen in den USA auf Grund des Alien Tort Claims Act (ATCA) gegen die Ölfirmen Unocal und Shell sowie gegen Unternehmen der Automobil-, IT- und Bankenbranche wegen ihrer Verstrickung in Apartheidverbrechen. Die Verfahren gewannen exemplarische Bedeutung, da sie keinen personellen oder territorialen Bezug zu den USA verlangten. Als jedoch immer neue Klagen von Opfern von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen vor US-amerikanische Gerichte gebracht wurden, schränkte der Supreme-Court der USA 2013 die Anwendung des ATCA erheblich ein, indem er Klagen gegen nicht in den USA ansässige Unternehmen für unzulässig erklärte. Demgegenüber haben es Kläger in Deutschland deutlich schwerer, vor allem zivilrechtlich Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Dafür ist eine Reform des Zivil- wie auch des Zivilprozessrechtes dringend notwendig.
Trotz der prozessualen Hindernisse sind derartige Prozesse auch schon deswegen sinnvoll, weil sie die Kooperation der Unternehmen mit repressiven Regimen oder die durchgängig menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen im globalen Zuliefergewerbe anzuprangern vermögen. Das zeigen drei Verfahren, die Kaleck und Saage-Maaß, Vorsitzende des in Berlin beheimateten European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und unlängst mit dem Hans-Litten-Preis der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen ausgezeichnet, angestrengt haben. Sie beschreiben die Klagen zu den Morden an Gewerkschaftern in Argentinien in den 1970er und in Kolumbien in den 2000er Jahren sowie wegen des Brandes einer Textilfabrik in Pakistan von 2012.
Es ist bestimmt kein Zeichen professioneller Deformation, wenn die beiden Jurist(inn)en trotz derzeit noch geringer Prozesserfolge die Notwendigkeit des Rechts im Kampf gegen Unterdrückung, ökonomische Gewalt und um soziale Gerechtigkeit so nachhaltig betonen. Denn es entspricht ihrer über die dogmatischen Grenzen des Rechts hinausreichenden Praxis, wenn Sie sich auf den Philosophen Ernst Bloch beziehen: »Keine wirkliche Installierung der Menschenrechte ohne Ende der Ausbeutung, kein wirkliches Ende der Ausbeutung ohne Installierung der Menschenrechte.« Dieser dialektischen Erkenntnis ist die lesenswerte Schrift verpflichtet.
Wolfgang Kaleck/Miriam Saage-Maaß: »Unternehmen vor Gericht, Globale Kämpfe für Menschenrechte«, Wagenbach, 128 Seiten, 9,90 €