Am 7. Dezember, zu Beginn des 31. CDU-Parteitags in Hamburg, war folgende Anzeige der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen: »Der Vater der Einheit wollte den Soli 1999 abschaffen. Die Mutti der Nation hat es bis heute nicht geschafft. Und der Nachwuchs?« Das war eine Kampfansage gegen Merkel und Kramp-Karrenbauer.
Wie stets bei Christdemokraten ging es vor dem Parteitag zum ökumenischen Gottesdienst, diesmal in der Michaeliskirche. Mit Verspätung und der Losung »Zusammenführen. Und zusammen führen« eröffnete Roland Heintze vom Landesverband Hamburg als Gastgeber den Parteitag.
18 Jahre lang, seit der CDU-Spendenaffäre bis zum 31. Parteitag, war Angela Merkel CDU-Vorsitzende. O-Ton Merkel bei ihrem Rechenschaftsbericht: »Wir haben die Kraft, Trends zu brechen, Wahlen zu gewinnen, wenn wir geschlossen und entschlossen gemeinsam kämpfen.« Sie erinnerte an die letzten Wahlsiege der CDU im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Merkel endete mit: Ich bin »von einem einzigen, alles überragenden Gefühl erfüllt: von dem Gefühl der Dankbarkeit. Es war mir eine große Freude, es war mir eine Ehre.« Mit zehn Minuten Beifall und stehenden Ovationen dankten die Mitglieder Merkel. Es gingen Schilder mit »Danke Chefin für 18 Jahre CDU-Vorsitz« in der stickigen Hallenluft in die Höhe.
Seit 1971 war es 2018 erstmals in der Geschichte der CDU wieder möglich, dass bei der Wahl des Parteivorsitzenden unter Kandidaten gewählt werden konnte. Zur Wahl standen CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende und heutige Aufsichtsratsvorsitzende des deutschen BlackRock-Ablegers Friedrich Merz und der Gesundheitsminister Jens Spahn.
Wie auf der mehrwöchigen Gastspielreise durch die Lande von Lübeck bis Halle, so konnten die Kandidaten in Hamburg ihr Programm noch einmal vorstellen. Während Kramp-Karrenbauer mit Esprit in ihrer Rede das »C« als den »Leitstern« beschwor, der das Menschenbild vorgebe, las Merz sein Statement vom Blatt ab, ohne viel Fortune. Vor dem Parteitag hatten exponierte CDU-Mitglieder ihren Favoriten bereits verkündet: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble stellte sich hinter Friedrich Merz, Saarländer und Wirtschaftsminister Peter Altmaier hinter die Saarländerin Kramp-Karrenbauer.
Zwischenspiel kurz vor der Wahl: Bild interviewt Boxer Wladimir Klitschko im Plenum der CDU.
Um 16:14 Uhr verkündete als Wahleiter der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther das Wahlergebnis: Annegret Kramp-Karrenbauer 450 Stimmen, Friedrich Merz 392 Stimmen und Jens Spahn 157 Stimmen. Es folgte eine Stichwahl. Um 16:37 Uhr gibt Günther das Endergebnis bekannt: Von den 999 abgegebenen Stimmen fielen 482 auf Merz – es brausen bereits Beifall und Jubel auf –, 517 auf Kramp-Karrenbauer. Strippenzieher Schäuble verzog bei der Verkündung keine Miene, sein Kandidat Merz hat es nicht zum Vorsitzenden der CDU geschafft. Damit war die Anspannung der Versammlung beendet. In der Messehalle stand nach wie vor die Luft. Weitere Wahlgänge für Parteiämter folgten. Merz kandidierte weder für den Vorstand noch für das Präsidium. Bereits vor Ende des Parteitags war Merz abgereist. Spahn wurde in das CDU-Präsidium gewählt.
Einen Tag später: die Wahl des neuen CDU-Generalsekretärs. Der 33-jährige Vorsitzende der Jungen Union Paul Ziemiak wurde mit 62,8 Prozent der Stimmen gewählt – kein überzeugendes Ergebnis für den jungen Konservativen, der Mitglied des Bundestages ist. Ob mit dieser Wahl die enttäuschten Merz-Anhänger beschwichtigt werden? Bereits jetzt knirscht es zwischen den Strömungen in der CDU.