Es ist schwer verdaulich, was die deutschen Medien zum Ableben von George Herbert Walker Bush an langen Elogen produzierten und wie sie den Mann, den andere einen Kriegsverbrecher nennen, zum Entspannungspolitiker und Friedensengel umschrieben. Der ehemalige Präsident der USA (1989-1993), Vizepräsident unter Ronald Reagan (1981–1989) und CIA-Direktor (1976-1977) war am 30. November im Alter von 94 Jahren gestorben.
Bush sei »der letzte Patrizier im Weißen Haus« gewesen, also ein Mann von Adel, und ein »Glücksfall«, lobte die Süddeutsche Zeitung. Für das ZDF war Bush »ein Präsident, dem der Dienst am Volke über alles ging«, die Berliner Zeitung überschrieb ihren Nachruf gar mit »Der letzte Gentleman«, und für das Handelsblatt war der Verstorbene »ein Mann der Mäßigung« und des Konsenses.
Der US-Journalist und Rechtsanwalt Glenn Greenwald verurteilt solcherart Medien-Umarmungen als »gefälschte Geschichte« und »propagandistische Weißwäsche übler Taten«. Befassen wir uns also mit einigen der üblen Taten des Expräsidenten der USA, George H. W. Bush.
Im Januar 1976 übernahm Bush das Amt des Direktors der CIA. Zwei Monate später putschte das Militär in Argentinien, die CIA spielte dabei, so zeigen es Dokumente, eine wichtige Rolle. Die CIA war auch mit von der Partie, als Orlando Letelier, ehemaliger Außenminister unter Chiles Präsident Salvador Allende, am 21. September 1976 in Washington auf offener Straße ermordet wurde. Der Chef des chilenischen Geheimdienstes DINA unter Diktator Pinochet, Manuel Contreras, Hauptverantwortlicher für den Mord, war laut Eingeständnis der CIA von ihr bezahlt worden.
Freigegebene CIA-Akten beweisen auch, dass der US-Geheimdienst unter Bush enge Verbindungen zu den Attentätern hatte, die im Oktober 1976 ein kubanisches Verkehrsflugzeug in der Luft sprengten und 73 Menschen töteten. Anschließend schützte die CIA die Terroristen vor Verfolgung in den USA.
Als Vizepräsident unter Ronald Reagan war Bush zumindest acht Jahre lang mitverantwortlich für dessen Politik, darunter auch den völkerrechtswidrigen US-Überfall im Oktober 1983 auf die Karibikinsel Grenada und die berüchtigte Contra-Affäre. Die Vorbereitung eines Putsches gegen das sandinistische Nicaragua und der Einsatz von Terroristen wurden mit dem Geld von illegalen Waffenlieferungen an den Iran bezahlt. Als die Sache aufflog und die Schuldigen – darunter Minister und hohe Regierungsbeamte – vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, gewährte Präsident Bush ihnen Straffreiheit.
Im Oktober 1989 befahl Präsident Bush die Invasion Panamas. Der panamaische Präsident Manuel Noriega wurde festgenommen und mit dem Vorwurf des Drogenhandels in die USA verschleppt – ein in Ungnade gefallener Freund, denn ab etwa 1976 hatte Noriega für die CIA gearbeitet. Bush gab seiner Invasion, die etwa 100 Tote und hunderte Verletzte forderte, den Decknamen »Just cause« (Gerechte Sache).
Sein größtes Verbrechen, den ersten US-Invasionskrieg 1991 gegen den Irak, nannte US-Präsident Bush verharmlosend »Desert Storm« (Unternehmen Wüstensturm). Zuerst signalisierte die US-Regierung dem Irak, dass sie nichts gegen dessen Einfall in Kuwait habe (wie zuvor bereits beim Krieg des Irak gegen den Iran von 1980 bis 1988, den die USA wohlwollend-unterstützend begleitet hatten).
Dann nutzte Präsident Bush den Überfall Saddam Husseins auf Kuwait und die Gräuelmeldungen über angeblich durch irakische Soldaten ermordete Babys als Begründung für seinen Krieg. Diese sogenannte Brutkastenlüge wurde mit Hilfe der Tochter des kuwaitischen Botschafters von dem großen US-Werbeunternehmen Hill & Knowlton inszeniert. Dort arbeitete der langjährige Stabschef von Bush während dessen Vizepräsidentschaft, Craig Fuller, inzwischen an maßgeblicher Stelle. Präsident Bush selbst benutzte die Brutkastenlüge mehrfach in seinen Werbereden für einen Krieg gegen den Irak. Bis die Lüge entlarvt wurde, hatte der US-Überfall auf den Irak Mitte Januar 1991 schon begonnen.
Der US-Historiker, Autor und frühere Mitarbeiter des Außenministeriums, William Blum, erklärte Bush in seinem aufsehenerregenden Buch »Rogue State: A Guide to the World's Only Superpower« (deutsche Ausgabe übersetzt von Verena Gajewski »Schurkenstaat. Leitfaden zum Verständnis der einzigen noch verbliebenen Supermacht auf der Welt«) verantwortlich »für den Tod von mehr als einer Million unschuldiger irakischer Bürger«, Ergebnis unter anderem des 40-tägigen Bombardements auf den Irak. Die öffentliche Wasserversorgung sei vorsätzlich zerstört worden, und die USA hätten Geschosse mit abgereichertem Uran eingesetzt, was zu zusätzlichen Schäden bei abertausenden Menschen, darunter auch vielen US-Soldaten, geführt habe. Dazu seien die verheerenden zwölfjährigen Sanktionen gegen den Irak gekommen. All das bewog William Blum, US-Präsident Bush neben vielen anderen Politikern und Militärs der USA als »Kriegsverbrecher« einzuordnen. (William Blum, der auf Grund seiner wissenschaftlichen Arbeiten insbesondere über die Interventionspolitik der USA weltweit hohes Ansehen genoss, ist leider vor wenigen Tagen – am 9. Dezember – im Alter von 85 Jahren in Washington verstorben.)
Zur Kriegspolitik von George H. W. Bush stellte das vielzitierte US-Nachrichtenportal The Intercept Anfang Dezember fest, dass seine Präsidentschaft viel »mit den erkennbar kriegerischen, korrupten und rechtsgerichteten republikanischen Persönlichkeiten zu tun hatte, die nach ihm kamen – sein Sohn George W. und der derzeitige Amtsinhaber mit dem orangenen Gesicht«.
Dass Donald Trump und Bush sen. sich in ihren Vorlieben ähneln, wurde auch Mitte Dezember deutlich: Als neuen Justizminister nominierte der US-Präsident den republikanischen Politiker William Barr. Der war schon unter George Bush sen. Justizminister gewesen. Unter anderem hatte Barr offenbar eine für beide Präsidenten wichtige Qualifikation: Schon während seines Jurastudiums 1973 bis 1977 an der renommierten George Washington Law School arbeitete er für die CIA – zuletzt unter CIA-Direktor George H. W. Bush.