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Wo Naumann bellt und wo er beißt  (Otto Köhler)

Zu klagen. Genau das hätte er nicht gewagt, solange er noch bei der Zeit als Chefredakteur und Herausgeber im Amt war. Jetzt hat Michael Naumann vor dem Hamburger Landgericht mit seiner Klage sogar gewonnen. Dessen Pressekammer bestätigte Naumann, er sei erstens kein »Bertels-Mann«, eine Bezeichnung, die Naumann anscheinend und gewiß nicht zu Unrecht als Beleidigung empfindet. Und zweitens darf der Beklagte nicht mehr »den Eindruck erwecken«, Michael Naumann »sei mit seinem Wissen und Wollen vom BND unter dem Decknamen ›NORD-DORF‹ geführt worden und habe in dieser Funktion Informationen zugetragen«.

Aber warum klagte Naumann erst jetzt? Seine Geheimdienstverbindungen wurden schon 1998 in Erich Schmidt-Eenbooms Buch »Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten« enthüllt. Und ich habe mich auch dazu geäußert – 2003 in der Wochenzeitung Freitag. Aber er klagte nicht, er bellte nur. »Sie haben mich denunziert, Herr Köhler!« schrie er Monate später beim Empfang des Rowohlt Verlags zur Frankfurter Buchmesse über eine lange Schlange vor der Garderobe zu mir herüber. Und klagte nicht.

Er konnte nicht. Das wäre nicht nur unklug, sondern auch unkollegial gewesen. Denn jeder hätte sich gefragt, warum die im selben Artikel erwähnten Zeit-Redakteure mich nicht verklagten – Redakteure, die regelmäßig zu internationalen Agententreffs im Privathaus des ziemlich rechtsradikalen Hamburger Verfassungsschutzpräsidenten Hans Josef Horchem erschienen. Der Agentenchef selbst durfte sogar an Redaktionskonferenzen der Zeit teilnehmen. Und Theo Sommer unterrichtete gern und willig den BND von seinen Auslandsreisen – so könnte sein kurioser Titel »Editor at Large« zustande gekommen sein.

Nein, die Kollegialität gebot Naumann, nicht an dem IM-Nest in der Zeit zu rühren. Erst jetzt, da er das Blatt als Mitherausgeber und Chefredakteur verlassen hat, um für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren, faßte er Mut – es ging ja jetzt gegen die Konkurrenz der SPD, die ihn in ihrem desolaten Zustand aufgestellt hatte: gegen die neue Linkspartei. Deren Sprecher Horst Bethge hatte in einem internen Mail an Parteifreunde Schmidt-Eenbooms Vorwürfe wiederholt und die handfeste Beleidigung »Bertels-Mann« hinzugefügt.

Aber der vorläufige Sieg vor der Hamburger Pressekammer wird Naumann nicht helfen. Der Linkspartei entgeht er nicht. Die Grünen (GAL) sind fest entschlossen, auch mit Beust und der CDU zu koalieren, wenn sie anders nicht mitregieren können. So wird es nach allen seriösen Umfragen kommen, wenn die Linkspartei nicht in die Bürgerschaft einziehen sollte. SPD und GAL werden im günstigsten Fall kaum ein Patt mit CDU und FDP erreichen, wenn die Linke 4,9 Prozent nicht überschreitet. Nur mit der Linken ist eine Mehrheit erreichbar.

Doch Naumann spielt Trotzkopf. Er will sich nicht – »eine Frage der politischen Moral« – von der Linken wählen lassen. Schon wegen Mutti. Die war seinerzeit vor der SED in die Bundesrepublik geflohen. Was aber gut für ihn war, denn so konnte der brave Junge Schwiegersohn des BND-Chefs Wessel werden und all das, wogegen er klagt, wenn es ihm die Linkspartei heute nachsagt.

Die aber wird ihn – darauf kann er sich verlassen – gnadenlos ins Amt des Hamburger Bürgermeisters wählen, wenn man so Ole von Beust daraus entfernt, der sich einst gern vom Bürgerextremisten Roland Schill hineinwählen ließ.

Aber einmal im Amt muß der neue Bürgermeister Naumann von der Linkspartei ebenso unnachgiebig attackiert werden, als wäre er Beust, der er fast ist.