»Wie Abraham Lincoln lang und hager und ein so tapferer und guter Soldat wie jeder, der in der Gettysburg-Schlacht ein Bataillon kommandierte.« Diesen Vergleich mit dem US-amerikanischen Bürgerkrieg zog der Schriftsteller Ernest Hemingway, um Milton Wolff zu rühmen, den aus Brooklyn stammenden letzten Kommandeur des Abraham-Lincoln-Bataillons in Spanien. Der Krieg, durch eine fast weltweite Verschwörung verraten, wurde verloren. Doch die Verteidiger der Demokratie, Spanier, Interbrigadisten, Menschen wie Wolff, bleiben eine Legende.
In der beliebten Chicote-Bar von Madrid lud Hemingway, als Journalist tätig, den mit 1.88 Meter auffallend großen Maschinengewehrschützen, der nach der blutigen Schlacht von Brunete im Sommer 1937 auf Urlaub war, zu einem guten Whiskey ein. Doch während Hemingway mit zwei Offizieren über Strategie räsonierte, verschwand Wolff mit der wunderschönen Begleiterin seines Gastgebers, Eulalia, und blieb mit ihr eine Woche zusammen. Hemingway ließ mitteilen: »Das geht in Ordnung«. Dachte er dabei an den lauernden Tod der nächsten Schlacht?
Wolff überlebte, manchmal äußerst knapp, weitere Schlachten und wurde wegen seiner Fähigkeiten, seines Mutes und Charismas ständig befördert. Als ihn Hemingway vor der erstaunlichen Überquerung der Ebro im Juli 1938 traf, nahm der Fotograf Robert Capa ein Bild der beiden auf. Wolffs Mutter sah das Foto in ihrer jiddischen Zeitung in New York und erfuhr, daß er nicht in einer Fabrik arbeitete, damit ein Spanier kämpfen konnte, wie er ihr vorgelogen hatte, sondern mit 22 Jahren schon ein kampferprobter Hauptmann war. Wolff hatte nie zuvor von dem Schriftsteller gehört, obwohl er gern las. Als ein Journalist ihn fragte, was er beim nächsten Besuch mitbringen sollte, bat er um »Jakob in Ägypten« von Thomas Mann.
Hemingway bewunderte den jungen Helden. Und Wolff schätzte den Einsatz des Autors: die dringend benötigten Krankenwagen, die er aus den USA mitbrachte, seine ehrlichen Berichte und den Dokumentarfilm »Spanische Erde«, den er mit dem Regisseur Joris Ivens machte, zum Teil direkt unter Beschuß, um dem in den USA verbreiteten Lügenmief über Spanien entgegenzuwirken und – leider vergebens – Präsident Roosevelt zur Aufgabe der einseitigen »Neutralität« zu bewegen, die keine Hilfe für die Republik zuließ (Franco, Hitler und Mussolini dagegen wurden mit Lastwagen, Flugbenzin und Bomben beliefert). Und Hemingways kurze Prosaelegie für die Gefallenen der Jarama-Schlacht war ein Kleinod.
Doch sein Spanienroman »Wem die Stunde schlägt« führte zum Streit mit den »Lincolns«, auch mit Wolff. Es ärgerte die bewußten Antifaschisten, daß der Autor die Hauptfigur als fast unpolitisch, die Guerilla als ziellos darstellte, die Gewalt sich wehrender Dorfbewohner mit den Greueltaten der faschistischen Angreifer gleichsetzte und antirussische und antikommunistische Töne anschlug, auch gegen die kommunistische Heldin La Pasionaria. Wolff urteilte über den alten Freund: »In Spanien war er ... ein Tourist ... ein Voyeur, der, wie es ihm gefiel, hinein oder hinaus aus der Aktion sprintete.«
Nach der Niederlage sagte Hemingway: »Wenn du verlierst, dann verlierst du alles, und deine Ideologie rettet dich nicht.« Wolff meinte: »... weder die Spanier noch die Freiwilligen noch sonstige Antifaschisten, die etwas taugten, verloren ihre Ideologie, und erst recht nicht ›alles‹.«
Durch seine Beziehungen zu den kommunistischen Partisanen, oft Spanien-Veteranen, konnte Wolff im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle in den Kämpfen in Italien spielen. Im Kalten Krieg blieb er bei seinen Prinzipien und trotzte dem McCarthyismus. Mit den »Lincolns« – in jeder Demonstration zu sehen – setzte er sich für Vietnam, Nikaragua, Kuba ein, gegen die Rassisten im eigenen Land und gegen das Bündnis der USA mit Franco. 1986 zogen sie einen Schlußstrich unter ihren alten Streit und druckten die Jarama-Elegie des längst verstorbenen Hemingway am Anfang einer Anthologie. Und Milt, der lange, grantig redende alte Kämpfer, blieb aktiv, bis am 14. Januar 2008 – er war 92 Jahre alt geworden – sein Herz stehen blieb.
Im GNN-Verlag erschien von Victor Grossman: »Madrid du wunderbare«, 420 Seiten, 19 €