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Die Jugend sollte mal jubeln  (Sergej Guk)

Vor der Parlamentswahl im vergangenen Dezember wurden diese Bilder zum politischen Alltag. Fast täglich präsentierten die staatlichen Fernsehprogramme Kundgebungen, Märsche, Demonstrationen jubelnder Jugendlicher. Die Mitglieder der »Unseren« oder der »Jungen Garde«, Nachwuchsorganisationen der Partei »Einiges Rußland«, zeigten sich entschlossen, sich für Putin und seine Partei restlos einzusetzen, um ihnen zum Wahlerfolg zu verhelfen. Ab und zu tauchten zwar in den oppositionellen Medien Meldungen auf, die Begeisterung sei genau kalkuliert, die Machthabenden hätten die jungen Leuten einfach mit Versprechungen und Geldgaben geködert. Aber handfeste Beweise gab es nicht. Bis Mitte Januar.

Ein gewisser Alexej Radow, vormals engagierter Akteur der Anarchopolitszene, seit anderthalb Jahren jedoch tatkräftiger Anhänger des Regimes und Mitglied des Polit-Rats der »Jungen Garde«, hat für den Eklat gesorgt. Er erklärte seinen Austritt. Aus Protest. Und er sparte nicht an Enthüllungen über seine Genossen von gestern: Die Funktionäre der »Machtvertikale« verfolgten ebenso wie die leitenden Staatsmänner »autoritäre Ideale statt demokratischer Werte«. Ihm sei es wie Schuppen von den Augen gefallen. Nun durchschaue er den »falschen politischen Prozeß« und die »Wahlfarce«. Nach solchen generellen Vorwürfen wurde er konkreter: »Alle Versprechungen einer Kaderrevolution erwiesen sich... als Bluff«, beschwerte er sich.

In der Tat. Den Jungen und Mädchen, die angeheuert waren, Stimmen für »Eigenes Rußland« zu fangen, hatten die leitenden Genossen goldene Berge versprochen: Sie könnten an angesehenen Universitäten studieren, auch an westeuropäischen oder US-amerikanischen, die Kosten würden selbstverständlich von der Partei getragen. Ihre Perspektive sei eine schnelle Kariere – nicht nur in den regionalen Machtzentren oder föderalen Ministerien, sondern auch in der Duma, zuerst als Referenten der Abgeordneten, dann als gewählte Parlamentarier. Das hatte schön und verführerisch geklungen. Erst nach der Wahl begriffen die Leichtgläubigen, daß ihr Ziel, der nationalen Elite angehören, eine Fata Morgana bleiben wird. Einige ihrer leitenden Kollegen, die Beziehungen nach »ganz oben« hatten, wurden wirklich befördert. Fürs Fußvolk aber blieb nichts übrig.

Jetzt häufen sich die Anzeichen dafür, daß die Jugendorganisationen in der Präsidentenwahlkampagne des Dmitrij Medwedew nicht mehr gebraucht werden. Im Großraum Moskau und im Fernen Osten, so ist schon hier und da zu lesen, werde die Finanzierung der lokalen Jugendorganisationen eingestellt, woraus sich unschwer schließen läßt, daß sie aufgelöst werden sollen. Wie im alten russischen Märchen verwandelt sich die Kutsche in einen Kürbis. Die Frage ist, wohin sich die enttäuschten und erbitterten Jugendlichen nun wenden werden.