Wie alle im Bundestag vertretenen Parteien bereiten sich auch die ihnen nahestehenden Stiftungen auf den herangerückten diesjährigen Wahlmarathon in Europa, im Bund, in den Ländern und Kommunen vor. Auch die der Linkspartei nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS), die sich unter anderem als ein »Teil der geistigen Grundströmung des demokratischen Sozialismus« und als »Diskussionsforum für kritisches Denken und politische Alternativen« versteht, rüstet sich für diese Herausforderungen. Einige ihrer Methoden stimmen nachdenklich.
In einer Zeit, in der theoretische Diskussion zur Entwicklung von Alternativen zum krisengeschüttelten, von den herrschenden Kreisen immer noch als »soziale Marktwirtschaft« ausgegebenen Kapitalismus dringend geboten ist, hat die Stiftung ihr eigenes Kuratorium aufgelöst und das Erscheinen ihrer theoretischen Zeitschrift UTOPIEkreativ eingestellt. Zwei bemerkenswerte Vorgänge.
Im Frühherbst des vergangenen Jahres meldete der Spiegel, der Vorsitzende des Vorstandes der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Heinz Vietze, verdränge mehrere SED-Altkader, darunter den letzten SED-Ministerpräsidenten der DDR, Hans Modrow, die ehemalige Wirtschaftsministerin Christa Luft und den einstigen stellvertretenden Kulturminister Klaus Höpcke, und löse das Kuratorium »als Oberoberaufsichtsbehörde« auf. Flugs darauf veröffentlichte das Neue Deutschland, das breit über die Spiegel-Nachricht informiert hatte, ein Interview mit Vietze. Dieser sagte, der Spiegel berichte olle Kamellen, da sich die RLS-Mitgliederversammlung noch im Vorjahr entschlossen habe, die Struktur der Stiftung, die sich gesamtdeutsch positionieren und verjüngen müsse, zu reformieren. Im Juni sei daraufhin entschieden worden, das Kuratorium aufzulösen. Das Ausscheiden von Modrow, Luft und Höpcke aus der angeblichen »Oberaufsichtsbehörde« dementierte er nicht, es war ihm nicht einmal einer Erwähnung wert. Dabei war das Kuratorium zwar keine »Oberaufsichtsbehörde«, aber alles andere als ein nebensächliches Gremium, hatte es doch bis dato die Funktion, den Vorstand in wichtigen Vereinsangelegenheiten zu beraten sowie in Streitfällen Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten. Inzwischen wurde das Kuratorium tatsächlich aufgelöst und durch einen Wissenschaftlichen Beirat ersetzt. Das klingt gut, schließlich meinte schon Carl von Ossietzky: »Wo ein Fischweib in naivem Zorn die Faust ballt, findet sich bald ein Schreibkundiger, der die wissenschaftliche Begründung dazu verfaßt.« Die Frage ist nur, wie die Begründung ausfällt und ob sie dem, der die Faust ballt, tatsächlich von Nutzen ist. Warten wir es ab.
Geforscht und formuliert wird in der Stiftung vor allem im »Institut für Gesellschaftsanalyse« unter der Leitung von Michael Brie. Dieser ist in der zurückliegenden Zeit weniger durch tiefschürfende Gesellschaftsanalysen denn durch eine Mail »An alle« aufgefallen, in der er den Bundestagsabgeordneten der Linkspartei Diether Dehm tatsachenwidrig denunzierte, in einem Beitrag in UTOPIkreativ aus dem Jahre 2001 eine unkritische Haltung zur Mauer bezogen zu haben. Auf diese »An alle«-Nachricht stürzten sich die FAZ, der Rheinische Merkur und andere freie Presseorgane wie auch Maybrit Illner in ihrer Talkshow mit sichtlichem Vergnügen (s. Ossietzky 11/2008). Brie hatte Dehm zuvor schon in die Nähe von Bin Laden gebracht, weil der Abgeordnete von der »Diktatur der Finanzmärkte« gesprochen hatte. Brie befand, daß derjenige, der den Finanzmärkten »Diktatur« zuordne, beim 11. September landen werde, weil »Diktatur« in die Legitimation von Mord (»Tyrannenmord«) münde. Folgt man dieser abenteuerlichen Konstruktion, dann ist inzwischen eine ganze Reihe von politischen Akteuren beim 11. September gelandet. Sie reicht von der Linkspartei, die in ihrer kürzlich angenommenen Frankfurter Erklärung von der »Willkür privater Banken« spricht und deren Vergesellschaftung fordert, bis zum Bundespräsidenten Horst Köhler, nach dessen Einschätzung sich die internationalen Finanzmärkte gar zu einem »Monster« entwickelt haben.
Jetzt kann das Kuratorium dem Vorstand der Stiftung, seinem Vorsitzenden Vietze und dem Chef-Gesellschaftsanalytiker Brie nicht mehr hineinreden. Einige seiner namhaften Mitglieder gehören fortan weder dem Vorstand noch dem Verein der Stiftung an, darunter die Brecht-Forscherin und Islamwissenschaftlerin Sabine Kebir, die Publizistin Irene Runge vom jüdischen Kulturverein, der Rechtsphilosoph und Menschenrechtsexperte Hermann Klenner, der langjährige Bundestagsabgeordnete und Rechtswissenschaftler Uwe-Jens Heuer und der junge Politologe Albert Scharenberg. Die prominenten Kuratoriumsmitglieder Modrow und Höpcke gehören ebenso wie die Europaparlamentarierin Sarah Wagenknecht künftig zwar dem Stiftungsverein, nicht jedoch dessen Vorstand an, in den von ihnen allen nur Christa Luft einrücken durfte. Gewiß dienen die Veränderungen dazu, die Stiftung von der Last des Pluralismus zu befreien und sie dem Strömungskurs des »Forums demokratischer Sozialisten« anzupassen.
Nicht weniger bemerkenswert ist der Beschluß zur Einstellung der 1990 gegründeten Zeitschrift UTOPIEkreativ, über deren Beiträge man zuweilen durchaus geteilter Meinung sein konnte. Der Stiftungsvorsitzende überschüttete das theoretische Periodikum in dessen letzter, der 218. Ausgabe mit Lob, um gleich danach den Liquidierungsbeschluß mit der Veränderung der Linken, den gestiegenen Erwartungen an eine wissenschaftlich-politische Zeitschrift der RLS und der Konkurrenzsituation im Medienbereich mit ihren ganz neuen, schwierigen Anforderungen zu begründen. »Ein überwiegend ehrenamtliches Team kann sich ihnen und der damit verknüpften inhaltlichen Neuaufstellung kaum stellen«, schrieb Vietze. Als Ersatz stellte er in Aussicht, bis Mitte 2009 mit einer neuen Zeitschrift eine neue Seite aufzuschlagen. Das ist doch eine wunderbare Idee: eine in der Not 1990 geschaffene Zeitschrift ohne Not einzustellen. Wozu braucht die Stiftung, brauchen die Linken im ersten Halbjahr 2009 eine theoretische Diskussion sozialistischer Alternativen, wo es doch an brennenden Themen mangelt und höchstens solche Belanglosigkeiten wie die USA-Politik unter Obama, die tiefe Krise des Kapitalismus und Neoliberalismus, Wirtschaftspolitik von CDU und SPD, der 20. Jahrestag des Falls der Mauer und der Großen Deutschen Friedlichen Revolution, also die Großkampagne zur »Aufarbeitung des DDR-Unrechtstaates« theoretisch behandelt werden könnten. Das hat ja schließlich Zeit, und kommt diese, kommt auch Rat. Heinz Vietze wird es schon richten, schließlich sitzt er nicht mehr in der Brandenburger Linkspartei, sondern im RLS-Vorstand ganz oben. Wie, das weiß vom bisherigen Redaktionsteam auch Wolfram Adolphi, der die publizistische Neuordnung mit dem schönen Satz »Dies ist die Ersetzung der Zeitschrift von unten durch eine von oben« kommentierte.
Nur die Argumente für die Auflösung des Kuratoriums und die Einstellung der UTOPIEkreativ sind ein wenig wässrig. Die Leitung der Stiftung wäre besser beraten gewesen, wenn sie sich an den Rat ihrer Namensgeberin, Rosa Luxemburg, gehalten hätte, die bereits 1911 meinte: »Sich selbst und anderen klaren Wein einschenken ist allezeit die beste praktische Politik für die Partei.«