Franz Müntefering, hellseherisch. – Sozialdemokraten, teilen Sie in der neuen Ausgabe des vorwärts mit, »wollen den Fortschritt schon auf der Erde«. (Und wo dann noch?) Im Zuge dieses Gedankens geben Sie ferner bekannt: »Frank-Walter Steinmeier wird Kanzler.« Nicht »er soll werden«, sondern einfach »er wird«. Da Sie offenbar die Gabe haben, die Zukunft vorauszusehen, unterrichten Sie uns doch bitte auch über die anderen Posten im künftigen Kabinett.
Franziska Drohsel, historisierend. – Als derzeitige Bundesvorsitzende der Jungsozialisten freuen Sie sich über die »Teilverstaatlichung einer Bank« und kommentieren die 18 Milliarden Steuergelder für das Commerz-Unternehmen so: »Was die Jusos in den 1970er Jahren gefordert haben, wird Realität.« Ja, das stimmt schon, damals plädierten die SPD-Junioren für den staatlichen Zugriff auf Banken. Nur eine Kleinigkeit haben Sie verwechselt: In jener Zeit verlangten Jungsozialisten nach Sozialisierung der Bankenprofite, nicht der Verluste.
Sigmar Gabriel, ungnädig. – Einer fast schon vergessenen Parteifreundin wollten Sie denn doch noch einmal eine Nachrede widmen und beschrieben das Wirken der hessischen SPD vor der verlorenen Wahl so: »Im Hinterzimmer den Versuch zu unternehmen, die eigenen Wähler zu hintergehen – so kann man keine Regierung bilden. Das ging schief und wurde bestraft.« Zwar spielten sich die von Ihnen gemeinten Vorgänge in öffentlichen Parteikonferenzen ab, aber egal, die LeserInnen der Welt am Sonntag werden mit Wohlgefallen zur Kenntnis genommen haben, wie ein Sozialdemokrat da mit einer Sozialdemokratin abrechnet.
Gesine Schwan, gute Miene machend. – Mit einer kleinen verbalen Attacke auf Horst Köhler haben Sie sich in Erinnerung gebracht – aber wem? Wir vermuten, daß den SPD-Marketingmännern Ihre Kandidatur fürs höchste Staatsamt inzwischen eher peinlich ist: Weiß man denn, ob es nicht doch zu einem zweiten Wahlgang kommt und dann die Linksparteiler für Sie stimmen? Ein böses Spiel, in das Sie da geraten sind, angelockt durch einen braven Menschen aus der Provinz, der die Hauptstadtregeln nicht kannte. Trösten Sie sich mit Kurt Beck, der hat den Ärger auch überstanden!
Wolfgang Schäuble, Fortschritt meldend. – Deutschland sei »weiter nach vorn gerückt«, verkünden Sie, und Ihre Experten pflichten Ihnen bei: »Nummer 1« sei die Bundesrepublik jetzt, »nicht mehr unter ferner liefen zu nennen, sondern in einer Reihe mit den USA«. In welchem Ranking? Unter den »Zielländern des Terrorismus«. Wenn sich einer so genau in den Plänen des Feindes auskennt, dann wird ihm gewiß niemand eine Generalvollmacht für Heimatschutz verweigern wollen.
Gregor Gysi, demnächst vielbeschäftigt. – In der Linkspartei steht offenbar Säuberungsarbeit an: »Wir müssen nicht jeden Spinner akzeptieren«, haben Sie laut Spiegel diese Aufgabe umrissen. »Nicht jeden ...« – aber welchen »Spinner« wollen Sie dulden und welchen nicht? Nach welchen Kriterien sollen die Parteioberen die »Spinner« sortieren und überhaupt erst mal als solche identifizieren. Eines können wir vorschlagen: Wer glaubt, im Bündnis mit SPD und Grünen den Kapitalismus regierungsamtlich zähmen zu können, der spinnt.