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Eine Elite-Einheit  (Claus Kristen)

Seit der Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht« spricht kein ernst zu nehmender Mensch mehr von der »Unschuld« des deutschen Militärs im Dritten Reich. Aber was im Allgemeinen bekannt ist, kann im Detail noch immer tabu sein – besonders in den Garnisonsstädten.

Martin Heinzelmann schildert die Geschichte der 31. Infanteriedivision der Wehrmacht, auch »Löwendivision« genannt. Diesen Namen erhielt sie, da ihr Hauptquartier in Braunschweig lag, der Stadt Heinrichs des Löwen. Weitere Standorte befanden sich in Goslar, Göttingen, Osterode, Halberstadt, Blankenburg und Quedlinburg. Die Division wurde im Oktober 1936 als neue Einheit geschaffen. Sie galt als Elite-Einheit. Schon vor dem Krieg marschierte sie häufig gemeinsam mit NS-Formationen auf – Berührungsängste gab es nicht.

In der Nacht vom 27. auf den 28. August 1939 wurde die Division in Richtung Schlesien transportiert. Obwohl sie »im allgemeinen nur auf geringen Widerstand stieß, zog sie vom ersten Tag an eine Spur der Verwüstung durch das Land«, schreibt Heinzelmann, und in einem Brief eines Kompanieführers heißt es: »Alles brennt vor uns, nachts ein schaurig imposanter Anblick!«

Anfang 1940 wurde die Division als Besatzungstruppe nach Belgien und Frankreich verlegt. Sie sollte sich an einer Invasion Englands beteiligen. Doch bald rollte sie zurück nach Osten, wo sie nun als eine der ersten Einheiten für den Überfall auf die Sowjetunion vorgesehen war. In einer Anordnung des XII. Armeekorps, dem die »Löwendivision« unterstellt war, hieß es dann: »Die Truppe hat jetzt ein Gebiet betreten, … in dem die zum Partisanenkrieg vorgesehenen Organisationen von den bolschewistischen Machthabern bereits aufgebaut sind. Der Ausmerzung dieser Elemente und ihrer Helfershelfer ist größte Bedeutung beizulegen. Schwäche hierin bedeutet Gefahr für die Truppe. Der Verdacht genügt!« Juden und Kommunisten wurden gleichgesetzt, »Kommissare« waren umstandslos hinzurichten. Nachgewiesen ist ein Todesmarsch von Kriegsgefangenen aus der besetzten sowjetischen Stadt Kaluga, die anschließend in Brand gesteckt wurde. Die »Politik der verbrannten Erde« ist bereits am 15. Dezember 1941 im »Kriegstagebuch« dokumentiert: »Loslösen vom Feind gelingt an allen Stellen unbemerkt, geräumte Dörfer werden soweit möglich in Brand gesteckt.«

Die Geschichte der »Löwendivision« findet nach dem Krieg eine Fortsetzung in Braunschweig. Ehemalige Angehörige des 17. Infanterie-Regiments, eines Teils der »Löwendivision«, bildeten schon 1949 die »Kameradschaft Schwarzer Herzog«, die ab 1952 »Regimentstage« abhielt. Zum ersten Treffen kamen rund 600 Veteranen der Einheit. Ernst Mund als führende Person der Kameradschaft erhielt 1985 das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold. Ein seit 1837 existierendes Denkmal für den antinapoleonischen Offizier Ferdinand von Schill wurde 1955 als »Ehrenmal« der gefallenen Soldaten der Einheit neu eingeweiht, die Festrede hielt Oberbürgermeister Otto Bennemann (SPD). Die Bundeswehr ehrte das Regiment 1967 in der Heinrich-der-Löwe-Kaserne mit einer Gedenktafel.

Alljährlich am Volkstrauertag wurden am Schill-Denkmal Kränze niedergelegt. Daran beteiligten sich neben den Traditionsvereinigungen der Wehrmacht die Stadt Braunschweig, das Bundesministerium der Verteidigung, die Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit (HiaG) der ehemaligen Waffen-SS, die FDP und die NPD. Unmittelbar angrenzend befand sich während des Zweiten Weltkriegs ein Konzentrationslager, ein Außenlager des KZ Neuengamme. In den 1990er Jahren kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Wehrmachtsveteranen und ihren Verbündeten (wie Oberbürgermeister und Bundestagsabgeordneter) auf der einen und AntifaschistInnen auf der anderen Seite. Ein Polizeieinsatz fand statt, als das »Lied vom Moorsoldaten« gesungen wurde – der Oberbürgermeister hatte sich gestört gefühlt. Heute befindet sich an diesem Ort eine Gedenkstätte für die Opfer des KZ-Außenlagers und ein »Offenes Archiv«.

Heinzelmann setzt sich in seinem Buch immer wieder mit der von ihm so benannten apologetischen Literatur auseinander, deren Autoren sich in der Nachkriegszeit mit der »Löwendivision« befaßt haben. Durchgängig hielten sie an den ursprünglichen verherrlichenden Darstellungen fest. Auch die lokale Presse sekundierte den Veteranenverbänden. Heinzelmann resümiert: »Wenn sich die ehemaligen Feldmarschälle auf Bundesebene der weitgehenden Unterstützung durch Politik, Medien und Bundeswehr über Jahrzehnte sicher sein konnten, so galt dies auch auf lokaler Ebene für den Bereich der 31. Infanteriedivision der Wehrmacht.« Wie gewiß auch an anderen Orten.

Martin Heinzelmann: »Die Spuren des Löwen. Zu den verschwiegenen Verbrechen der 31. Infanteriedivision der Wehrmacht«, Cuvillier-Verlag, 171 Seiten, 19.90 €