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Titel0311

Als Israel gegründet wurde  (Arno Klönne)

Weitverbreitet ist gegenwärtig in der veröffentlichten Meinung der Bundesrepublik eine Lesart von Geschichte, wonach »Marxisten« (Kommunisten und andere Linke), antisemitischen Neigungen folgend, seit jeher einem Staat Israel feindlich gesonnen gewesen seien. Und auch, daß die Gründung dieses Staates gegen den Willen der Sowjetunion geschehen sei. Mit den historischen Fakten haben diese Deutungen nichts zu tun.

Im Februar 1948 erschien in der Wochenschrift Die Weltbühne ein umfangreicher Beitrag unter dem Titel »Der neue Staat des jüdischen Volkes entsteht«, in dem es hieß: »Ende November 1947 stimmte die UN-Vollversammlung auf Initiative der Vereinigten Staaten und der UdSSR hin mit 33 gegen 13 Stimmen für die Aufteilung Palästinas unter Juden und Araber. Dieser Beschluß entspricht den Erfordernissen der historischen Gerechtigkeit. Er soll der jüdischen Bevölkerung die Gründung ihres eigenen souveränen Staatswesens ermöglichen. Mit ihm wird ... begonnen, das unermeßliche Unrecht wieder gutzumachen, das dem jüdischen Volk seit 1800 Jahren zugefügt wurde ... Besonders die demokratischen Kräfte Deutschlands haben die Verpflichtung, ihre Sympathie und Hilfsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen ...« Autor des Artikels war der kommunistische Politiker und Schriftsteller Paul Merker, damals Mitglied des Zentralkomitees der SED. Er schilderte darin auch, welche historischen Lasten im Verhältnis von arabischer und jüdischer Bevölkerung durch die britische neokoloniale Politik im Nahen Osten entstanden waren und wie sich nun auf der arabischen Seite feudale Machtgruppen die berechtigten Besorgnisse von Palästinensern zunutze machten. Das Schicksal des gerade sich bildenden jüdischen Staates, so Merker, werde sich daran entscheiden, ob dieser das Verhältnis zur arabischen Umwelt verbessere und jede Abhängigkeit von externen, imperialistischen Interessen vermeide. Das bedeutete auch: Der Staat Israel solle sich heraushalten aus der westlichen Frontbildung im beginnenden Kalten Krieg.

Schon in den Vorverhandlungen zum Palästina-Problem in den UN-Gremien im Jahre 1947 hatten die Vertreter der Sowjetunion argumentiert, daß die Teilung des Landes infolge einer verfehlten britischen Mandatspolitik unvermeidbar sei. Dem jüdischen Volk das Recht auf einen eigenen Staat zu verweigern, sei nicht zu rechtfertigen »angesichts dessen, was es im zweiten Weltkrieg erlebte« (Andrej Gromyko). Im Staat Israel, so hofften zu jener Zeit kommunistische Politiker, werde eine starke politische und gewerkschaftliche Linke imstande sein, eine Anbindung des Landes an geopolitische Strategien der USA zu verhindern.

Im Heft 9/1948 der von Erich Honecker herausgegebenen Jugendzeitschrift Neues Leben schrieb Gerhard Zadek: »Der neue jüdische Staat kann seine Unabhängigkeit nur sichern, wenn er sich nicht politisch oder wirtschaftlich an die imperialistischen Staaten bindet, sondern freundschaftliche Beziehungen zu den volksdemokratischen Ländern hält und dabei nicht vergißt, die um ihre Freiheit vom Feudalismus kämpfenden Araber zu unterstützen.« Kurz danach publizierte die FDJ-Jugendzeitung Start eine »Abrechnung mit den Antisemiten«. Erinnert wurde daran, daß es den Nazis gelungen sei, weite Teile auch der jungen Generation »vor ihren Schinderkarren zu spannen, auf dem die Juden Deutschlands und später Europas in die Gaskammern gefahren wurden«. Aus »dieser unserer Mitschuld« erwachse die »Verpflichtung«, alles zu tun, um den Antisemitismus in Deutschland für immer auszurotten.
Die politische Entwicklung im jungen Staat Israel ging rasch in eine Richtung, die den Gründungsbeschlüssen der UN widersprach. Die Verwicklung in militärische Konflikte mit arabischen Staaten trug dazu bei. Anfang 1950 erklärte die israelische Regierung entgegen den UN-Beschlüssen West-Jerusalem zur Hauptstadt; ebenfalls im Widerspruch zum Willen der Vereinten Nationen wurde arabisches Terrain besetzt, arabisches Eigentum ohne Entschädigung enteignet. Israel wurde zum »Frontstaat«.

Im sowjetischen Einflußbereich wurde 1949/50 der Vorwurf des »Zionismus« zu einem Instrument innerkommunistischer »Säuberungen«, in der DDR übrigens weniger brutal als in anderen Staaten des östlichen Blocks. Den oben zitierten Paul Merker schloß die SED 1950 als »zionistischen Agenten« aus, er wurde verhaftet und später zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Anschuldigungen waren konstruiert. Politische Justiz. 1956 kam Merker frei und wurde in der Folge rehabilitiert, aber vom Wirken in der Partei ferngehalten; er arbeitete als Lektor beim Verlag Volk und Welt.

Eine Geschichte zerstörter Hoffnungen, vertaner Chancen, was Israel betrifft, eine Geschichte zerstörerischer und selbstzerstörerischer Praktiken linker Parteien. Aber die Legende, Antisemitismus und Ablehnung des Staates Israel seien im »kommunistischen Gen« enthalten, ist propagandistische Irreführung.