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Mélenfontaine?  (Christophe Zerpka)

Am 6. Mai wird die Entscheidung fallen: Die Franzosen werden an diesem Tag die Wahl zwischen zwei Kandidaten haben, die zwei Wochen zuvor im ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen haben. Der Gewinner der Präsidentschaftswahlen übernimmt dann ein Amt, das eine für Demokratien ungewöhnliche Machtfülle beinhaltet. Der französische Staatspräsident ernennt den Premierminister, kann Volksabstimmungen anordnen und das Parlament auflösen, er steht dem Ministerrat vor, ist Oberbefehlshaber der Armee und entscheidet allein über den Einsatz von Nuklearwaffen.

Daß Nicolas Sarkozy ein zweites Mandat anstrebt, steht außer Zweifel, auch wenn er aus taktischen Gründen seine Entscheidung hinauszögert.

Spätestens am 6. März müssen alle Bewerber ihre 500 Unterschriften eingereicht haben, die sie bei diversen Amtsträgern einholen müssen. Geht man davon aus, daß alle ihre Signaturen zusammenbekommen, dann können die Franzosen zwischen 14 Kandidaten wählen. Eine echte Chance haben freilich nur fünf oder sechs.

Mit Jahresbeginn fing die heiße Phase des Wahlkampfs an. In Fernsehinterviews, mit Grundsatzreden vor Anhängern und programmatischen Erklärungen positionieren sich die Anwärter auf den Elysée-Palast. Für die französischen Meinungsforscher ist jetzt Hochkonjunktur.

Und so sahen die Umfrageergebnisse des IFOP-Instituts am 18. Januar aus: Der Sozialist François Hollande lag mit 28 Prozent vorn, gefolgt vom Amtsinhaber Nicolas Sarkozy mit 24 Prozent, die nationale Frontfrau Marine Le Pen stand bei 20 Prozent, der Zentrist François Bayrou bekäme 12,5 Prozent, der Chef der Linkspartei Jean-Luc Mélenchon 7,5 Prozent. Wenn man diesen Erhebungen Glauben schenkt, so fallen zwei Punkte ins Auge: die relativ starke Position des unbeliebten Präsidenten Sarkozy und die der nur vier Punkte schwächeren Kandidatin der Front National. Der französische Wähler scheint auf ein Spektrum eingestimmt, das von extrem rechts über neoliberal bis sozialdemokratisch reicht.

Die genuine französische Linke ist dagegen immer noch schwach und erholt sich nur langsam von den gesellschaftlichen Brüchen der letzten 20 Jahre. Ähnlich wie in Deutschland ist die führende Persönlichkeit der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon, ein sozialdemokratischer Dissident. Er gründete 2009 die französische Linkspartei, nachdem die Parti socialiste mehrheitlich beschlossen hatte, sich zur Mitte zu öffnen. Die Front de gauche ist ein Bündnis aus der zur Splitterpartei verkommenen Kommunistischen Partei Frankreichs, der Vereinigten Linken, dem Bündnis für eine ökologische und soziale Alternative sowie der Linkspartei von Mélenchon. Die Linksfront sieht sich als Bündnis gegen die Front National, was sich nicht zuletzt im Namen manifestiert. Sie erinnert aber auch an den legendären Wahlsieg des Volksfront 1936, das erfolgreiche Bündnis einer vereinigten Linken. Der Zusammenschluß ist ein mutiger Versuch, den Rechtsextremen in letzter Minute einen Teil jener Stimmen abzujagen, die einst das klassisch-linke Wählerreservoir darstellten.

Auch die französische Linke sucht sich Bündnispartner jenseits des Rheins. Während Nicolas Sarkozy für Merkels wirtschaftskonforme Demokratie schwärmt und François Hollande im Dezember auf dem Parteitag der SPD Schuldenabbau und Wachstum versprach, durfte Oskar Lafontaine am 18. Januar auf einem Meeting der Linksfront in Metz eine Rede halten. Immerhin: Der deutsche Genosse sprach 15 Minuten lang – wenn auch etwas holprig – französisch. Er wünschte den zahlreichen Anhängern ›une belle victoire‹ und bekam dankbaren Beifall. Es ist schon merkwürdig: Deutsche Rezepte scheinen in diesem französischen Wahlkampf eine bisher kaum für möglich gehaltene Rolle zu spielen. Merkozy ist schon ein Synonym, Gabrilande eine Option, nur Mélenfontaine klingt noch etwas weit hergeholt ...