Hannah Arendt als Filmheldin? Das kann wohl kaum etwas Rechtes werden. Schon gar nicht, wenn die Film-Autorin Margarethe von Trotta, berühmt geworden durch ihre Porträts großer Frauen, ihre Motivation so umreißt: »Wieder hat mich die Frau interessiert, die sich hinter der unabhängigen Denkerin verbirgt.« Die Frau »hinter« der Denkerin – wer dächte da nicht vor allem an die langwierige, konfliktreiche Beziehung zu Martin Heidegger und das Entsetzen der jungen Jüdin, daß der verehrte und geliebte philosophische Lehrmeister sich mit den Nazis einließ. Dieser Heidegger, dargestellt von Klaus Pohl, bleibt freilich eine so mediokre Figur, daß weder die Begeisterung für den charismatischen Denker noch die erotische Attraktion glaubhaft wird.
Von der Denkerin aber, »hinter« der die Frau »sich verbirgt«, erfährt man eigentlich nur, daß sie mit ihrem Bericht über den Eichmann-Prozeß und der darin vertretenen Theorie von der »Banalität des Bösen« ungeheure Turbulenzen ausgelöst hat, sich aber von Angriffen, Beschimpfungen und Morddrohungen nicht einschüchtern ließ. Barbara Sukowa, eine Schauspielerin von beispielloser Ausdruckskraft der Augen, spielt eine unbeugsame Intellektuelle, die durchaus rechthaberisch wirken kann und manchmal das Hauptverdikt der Gegner Hannah Arendts zu rechtfertigen scheint: Arroganz ohne Mitgefühl. Ungespielt bleibt, wie die Prozeßbeobachterin schaudernd zu der Einsicht gekommen ist, daß dieser Eichmann, der perfekte Organisator der Transporte in die Vernichtungslager, kein Dämon, kein sadistisches Ungeheuer gewesen ist, sondern, schlimmer, ein ganz gewöhnlicher Mensch mit großer Anpassungsbereitschaft. So kann nicht hinreichend klarwerden, daß die »Banalität des Bösen« nicht eine originelle Interpretation ist, mit der man einen hitzigen Meinungsstreit auslöst, sondern eine beklemmende, ja erschreckende Beobachtung, die das moralische Dilemma nicht mildert, sondern verschärft. Denn Sadisten sind relativ selten; brave Mitmacher aber, die unter gegebenen Umständen zu Eichmännern werden können, sind wir möglicherweise fast alle.
Vor allem aber wird nicht deutlich, daß Hannah Arendts Beobachtung nicht so sehr Vergangenheitsdeutung, sondern vielmehr Zukunftswarnung war. Sie sah in der Vernichtung der Juden Europas nicht einfach die bösartige Steigerung des altbekannten Antisemitismus, sondern das Heraufkommen eines völlig neuartigen Typus von Verbrechen: des von einem entarteten Staatswesen angeordneten »Verwaltungsmassenmordes«. Sie hielt Wiederholungen für möglich, ja wahrscheinlich und nannte als Beispiele unter anderem das atomare Wettrüsten, wo willige Fachidioten zynisch mit »Megatoten« und »Overkill« ihre strategischen Planspiele durchkalkulierten. Nur diese Zukunftsperspektive würde dem Film aktuelle Brisanz geben. So bleibt es beim schulfunkartigen Rückblick auf eine imponierende historische Persönlichkeit, die uns nicht mehr mitzugeben hat als die Mahnung, daß wir mit dem Verzicht auf das eigene Denken unsere Menschlichkeit verlieren.