Sigmar Gabriel, Jubiläumsmanager. – Die Partei, der Sie vorsitzen, sinkt demoskopisch weiter ab. Da trifft es sich gut, daß an Zeiten ihres Aufstiegs erinnert werden kann, einhundertfünfzig Jahre wird sie jetzt alt, da sind schöne frühgeschichtliche Daten zu finden. Im Mai (in Leipzig) und dann gleich noch mal im August (in Berlin) lassen Sie den Gründungsakt der deutschen Sozialdemokratie feiern, im Jahre 1863, unter Ferdinand Lassalle, als »Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein«. Es bieten sich dann weitere Jubiläen an, denn unter Historikern ist umstritten, wann nun der eigentliche historische Start der SPD war: Vielleicht doch eher 1869, als August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach ihre Sozialdemokratie gründeten, oder erst 1875, als sich Lassalleaner und Eisenacher zur »Sozialistischen Arbeiterpartei« zusammenschlossen, die sich dann ab 1891 wieder sozialdemokratisch nannte? Wie auch immer – das waren Erfolgszeiten. Trotz obrigkeitsstaatlicher Verfolgung wurde die SPD zur Massenpartei, bei der letzten Reichstagswahl vor dem Ersten Weltkrieg gewann sie 34 Prozent der abgegebenen Stimmen. Das muß beim anstehenden Jubiläum ja nicht erwähnt werden, es könnte angesichts der jetzigen Zustimmungswerte Mißmut hervorrufen. Ein bißchen heikel beim Jubilieren ist auch der Umgang mit dem diesmal ausgewählten Gründer der SPD. Der hatte Sympathien für Bismarck. Wie läßt sich das in die Gegenwart übertragen? Sicher, auch die amtierende Kanzlerin hat etwas Eisernes an sich. Aber ungewiß ist, ob alle WählerInnen, die Sie im Herbst gewinnen wollen, an einem solchen Vergleich ihr Vergnügen hätten. Also: Bei den Feierlichkeiten nicht zu viel politische Details über Ferdinand Lassalle! Daß der bei einem liebesbedingten Duell zu Tode kam, können Sie jedoch getrost in Erinnerung bringen. So etwas spricht romantische Gefühle an, der Mann hatte Hübscheres im Sinn als heutzutage ein verhinderter Sparkassendirektor.
Humanistische Union. – Wir gratulieren: Sie, die älteste Bürgerrechtsorganisation der Bundesrepublik, haben seit Jahrzehnten gefordert, daß Polizisten verpflichtet werden, im Dienst Namensschilder zu tragen. Seit 1. Januar ist dies nun in Brandenburg als erstem Bundesland gesetzlich vorgeschrieben. In sogenannten geschlossenen Einsätzen allerdings, also wenn zum Beispiel bei großen Demonstrationen ganze Hundertschaften der Bereitschaftspolizei anrücken, brauchen die Beamten nur mit Nummern gekennzeichnet zu sein. Hoffentlich werden bald andere Bundesländer folgen – ohne diese Ausnahmebestimmung.
Walter Hamm, FAZ-Mentor. – »Freiheit durch Sozialismus?« So überschreiben Sie Ihren Leitartikel in Deutschlands angesehenster Zeitung. Ihr Wort hat bei deren Publikum Gewicht, seit Gründung des Blattes teilen Sie darin mit, wohin der wirtschaftspolitische Kurs gehen soll. Und Sie haben die Stiftung betreut, der die FAZ gehört, als Volkswirtschaftsordinarius bekamen Sie den Ludwig-Erhard-Preis. Kein Wunder, daß Sie erbost sind, wenn nun eine linke Partei, die immer noch gern vom Sozialismus spricht, den Gedanken unters Volk bringen will, dieser erst bedeute Freiheit. Das Fragezeichen bei Ihrer Überschrift war eigentlich überflüssig, Ihr Nein selbstverständlich. Aber bemerkenswert das schlagend gemeinte Argument, mit dem Sie der linken Partei den Freiheitswillen absprechen: »Haben die ehemaligen Parteikader der SED, der allmächtigen Staatspartei, verdrängt, was sie den Menschen in der DDR jahrzehntelang angetan, daß sie Freiheitsrechte mit Füßen getreten haben?« Erschreckt haben wir Ausschau gehalten, nach den SEDistischen Altkadern der DDR in der BRD-Partei Die Linke. Wer gibt da den Ton an? Wo stecken sie, die Altkader? Riexinger, Lafontaine, Ramelow, Lay, Sharma, Troost, Schlecht, Buchholz, Bierbaum, Sohn et cetera werden Sie nicht gemeint haben, denn das sind PolitikerInnen mit Wessihintergrund, und die Annahme, das Geschick der DDR sei durch Westkader gelenkt worden, ist nicht so richtig plausibel. Also Gysi. Als einsamer, aber alleinherrschender Altkader? Und Bartsch, aber der ist doch, wie FAZ-LeserInnen wissen, gar nicht so versessen auf den Sozialismus. Sahra Wagenknecht? Die ist Jahrgang 1969, Kipping? Jahrgang 1978. Der Parteigeschäftsführer Höhn? Jahrgang 1975. Lederer? Jahrgang 1974. Und so geht es weiter, infolge später Geburt hatten die jetzigen PDL-Kader keine Gelegenheit, »jahrzehntelang« in der DDR politisch irgendetwas mit Füßen zu treten. Vermutlich werden wir, falls FAZ und PDL in zwanzig Jahren noch existieren und dann immer noch über Freiheit und Sozialismus gestritten wird, in der von Ihnen auf den rechten Weg gebrachten Zeitung lesen können, daß da SED-Altkader am Werk sind, die das Volk täuschen wollen. Eine erstaunliche Lebensdauer haben sie.