Was ist der Unterschied zwischen dem Bravo-Kanal bei YouTube, wo die Bundeswehr um Freiwillige für Adventure-Camps mit Werbesprüchen wie »Action, Adrenalin, Abenteuer! Die Herausforderung deines Lebens wartet auf dich!« wirbt, und der makaberen, militärisch-bombastisch überfrachteten Beisetzungsfeierlichkeit für de Maizières Amtsvorgänger Peter Struck am 3. Januar in Uelzens bedeutendster Kirche? Im Kern besteht da nicht der geringste Unterschied. Es geht um die Glorifizierung des Militärischen, des militär-industriellen Komplexes, wobei Strucks Botschaft, daß »unsere Freiheit auch am Hindukusch verteidigt wird«, gedankenlos nachgeplappert und hinsichtlich ihrer Implikationen nicht hinterfragt wird. Die in Afghanistan oder in Serbien von Deutschen und ihren NATO-Verbündeten hingemetzelten Männer, Frauen und Kinder waren weder Propst Jörg Hagen noch Militärbischof i. R. Peter Krug, noch den in St. Marien redenden »hochrangigen« politischen und militärischen Gästen der Erwähnung wert. Das verpackte man lieber in eine vor Anerkennung nur so triefende Laudatio: »Etwas mehr zwischenmenschliche Wärme in die Welt zu bringen und Solidarität mit denen zu üben, die sich selber nicht helfen können«, habe uns die »sensible Seele« Peter Struck vorgelebt. Den am 9. April 1945 von der SS im KZ Flossenbürg ermordeten Pfarrer Dietrich Bonhoeffer für so ein Militärspektakel in einer Kirche zu instrumentalisieren, indem man dessen Gedicht »Von den guten Mächten wunderbar geborgen« intonieren und singen ließ, ist nachgerade obszön. Seit langem wurde nicht so viel Schindluder mit der Friedensbotschaft Jesu Christi in einem Gotteshaus getrieben wie am 3. Januar. Von der »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel«, deren Schirmherrin die evangelische Theologin Margot Käßmann ist, scheinen die Pastoren von St. Marien noch nie etwas gehört zu haben, sonst hätten sie ihr Gotteshaus den Kriegshandlangern für den militärischen Staatsakt vermutlich nicht zur Verfügung gestellt.
Erheblich befremden muß allerdings auch, daß ausgerechnet einem der führenden Repräsentanten jener Partei, die sich gegen jegliche militärische Einsätze, besonders Auslandseinsätze, einsetzt – gemeint ist hier Gregor Gysi von der Linkspartei –, in seinem Nachruf auf den ehemaligen Kriegsminister Struck nichts anderes einfiel, als daran zu erinnern, daß er mit Peter Struck »zusammenarbeiten durfte«, daß »Struck sich freundschaftlich, kollegial und solidarisch verhalten hat« und daß »wir ihn in seiner Lebenslust in Erinnerung behalten sollten«.
Deutschland ist weltweit drittgrößter, in Europa bedeutendster Waffenexporteur. Vorrangig geht es um Milliardengeschäfte. Und für die gilt bekanntlich: Pecunia non olet – Geld stinkt nicht. Da Waffen, egal welche, :keine Wattebäusche oder Friedenstauben sind, dienen sie – allen Humanitätslügen von wegen Friedensmissionen zum Trotz – dazu, Menschenleben auszulöschen beziehungsweise Menschen so zu verstümmeln, daß sie widerstandsunfähig werden.
»Der Tod ist ein Meister aus Deutschland«, hat uns bereits der Lyriker Paul Celan in seinem bekannten Gedicht »Todesfuge« ins Stammbuch geschrieben. Mit wohl am eindrucksvollsten hat das Bertolt Brecht in seiner berühmten »Kriegsfibel« in Text und authentischen Kriegsfotografien dokumentiert. Der großen Unwissenheit über gesellschaftliche Zusammenhänge, die der Kapitalismus sorgsam aufrecht erhält, wird in der »Kriegsfibel« mit zum Teil brutalen Bildern der Schleier von seiner den Krieg verharmlosenden, menschenverachtenden Fratze gerissen. Nicht weniger aufrüttelnd-sensibel und die nach 1945 Nachgeborenen mahnend ist das weltweit berühmt gewordene Gesamtwerk von Wolfgang Borchert und hier – Hiroshima vor Augen – vor allem sein »Sag NEIN!«-Aufschrei an die Welt. Der gilt heute genauso wie der Schwur von Buchenwald: »Nie wieder Krieg!« Wer dem Leben Ehrfurcht entgegenbringt, kann das nur immer wieder rezipieren. Sowohl in Uelzen als auch andernorts.
Kriegsbilder und -folgen werden in Deutschland gern ausgeblendet, zum Beispiel von den Bundeswehrwerbern in Schulen. In der Panorama-Sendung »Bedingt einsatzbereit« sagte eine Schülerin nach einer Werbeveranstaltung der Bundeswehr: »Ich reise gern generell um die Welt ... Ich denke, daß Gefahrensituationen schon etwas Interessantes sind.« Red.