Ich wanderte weiter ins Schloßpark-Theater. Einst als Kammerbühne des Schillertheaters eine Spielstätte meist nicht großen, doch oft sinnreichen Theaters, hatte es lange leergestanden, bis Dieter Hallervorden es wiedererweckt hat, dort auch selbst aufgetreten ist. Jüngst hat er sich eines großen Gegenstands angenommen, besser: einer Person: Einstein, die Inszenierungsvorlage heißt »La trahison d'Einstein« (Einsteins Verrat), deren Autor Eric-Emmanuel Schmitt und der Inszenator Paul Bäcker. Es war eine Uraufführung. Die Schauspieler heißen Matthias Freihof (Einstein, das Genie), Volker Brandt (Landstreicher) und Mathias Harrebye Brandt (Spitzel). Sie spielen eine Begegnung zwischen dem Genie und dem Landstreicher, der der Einstein-Figur die Leviten liest und ihn des Pazifismus verdächtigt, bevor sie Freunde werden, was auch der FBI-Spitzel nicht verhindern kann. Eine übrigens überflüssige Episode! Wie manches im Text, wenn nicht die ganze Spielvorlage. Selbst die originellsten Sätze aus Einsteins Mund retten die Sache nicht. Von Verrat Einsteins ist nicht zu sprechen, höchstens – wegen seines Atombomben-Rates – von Irrtum oder vom Haß-Dictum des verfolgt-vertriebenen Juden. Schade, daß Brecht seinen angedachten Plan eines Einstein-Stückes nicht mehr in Buch und auf Bühne bringen konnte.
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Eher zufällig geriet ich in den alten Admiralspalast am Bahnhof Friedrichstraße, der so oft als eine Art Behelfstheater dienen mußte. Es war winterlich kalt, und ich las etwas von »Caveman«, einer Ansammlung von dialogisierten Sätzen zu Paarverhalten, und das gleiche sich über Jahrhunderttausende eben immer, ob in der Höhle oder einer heutigen Drei-Zimmer-Behausung. Was da über gegenwärtiges Leben zurechtgeplappert wird – dieser oder jener Mangel, Irrtum, Mangel- oder falsches Hochgefühl – ist so banal wie zynisch: Es gäbe nichts Neues zwischen den Geschlechtern! Na, dieser Verfasser namens Rob Becker hat den Broadway bedient und eben höchste Staatsinteressen – einen Fortschritt darf es nicht geben unter den Höhlenmenschen von heute. Mich wundert, daß Esther Schweins anhand der deutschen Übersetzung von Kristian Bader solchen Kokolores inszeniert hat und daß die Inszenierung immer noch bundesweit auf Tour ist. Ich finde die Produktion nicht nur verabscheuungswürdig, sondern anmaßend gegenüber der Würde der Frauen, im Grunde gegen beide Seiten eines Geschlechterlebens in einer Gesellschaft, die auf Menschenrechte und -würde pocht, ohne sie selbst einhalten zu können oder es auch nur zu wollen. Und die auch von solchen Entdeckungen wie der Äquivalenzformel bestimmt wird.
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Auf ins Theater am Kurfürstendamm, von dieser Formel leider noch einmal in die Welt der Hormone, nur charmanter. Das Stück heißt »Heiße Zeiten – Wechseljahre«, »musikalisches Hormonical« genannt, und ist von Tilmann von Blomberg, die gefeierte Hauptdarstellerin ist Angelika Mann. Sie spielt eine sogenannte normale Hausfrau, und es geht um die Wechseljahre. Lange Zeit ein Tabuthema, wird es hier zum Thema einer Comedy, und das kann man nur über diesen angelsächsisch-US-amerikanischen Begriff ausdrücken. Verschiedene Frauentypen verhandeln das Thema, bestimmen es letztlich über relativ lockere Dialoge zur Normalität. Da hat sogar mal ein Boulevard-Theaterspiel einen sozialen Wert, freilich kaum einen künstlerischen. Einige Zeit später sah ich im selben Haus eine Aufführung eines von John Birke ins Deutsche übersetzten Vier-Personen-Stückes von Saul Rubinek mit dem Titel »Schlechter Rat«, auch so eine Art Beziehungsstück, ein wenig mehr als Boulevard, noch lange kein Ibsen, gar Strindberg. Ein Anziehungspunkt: der Schauspieler Uwe Ochsenknecht. Worum es geht? Fast immer um fast dasselbe: Wer kopuliert mit wem? Jake liebt Hedda, Stanley liebt Delila, Jake freundelt mit Stanley, macht es aber wiederum mit Delila, die Angst vor Hedda hat. Der männliche Partner von Ochsenknecht (Jake) ist Oscar Ortega Sánchez, der den Stanley gibt, dazu die zwei Frauen Charlotte Schwab und Julia Malik. Alles banal, vermutlich wird die Aufführung damit ihren Erfolg haben.