Mit einer kaum 25 Sekunden dauernden »Tagesschau«-Nachricht auf Bildern von einer demonstrierenden Menschenmenge kann man keinen umfassenden Bericht über die Lage einer Nation liefern. Wenn über diese Nation, im hier angesprochenen Fall über Honduras, nicht vorher schon und kontinuierlich berichtet wurde, geraten Versuche, ein aktuelles Schlaglicht auf das Land zu werfen, zur Initialzündung falscher Vorstellungen oder zur Begründung von Desinteresse.
Da wäre es allemal besser gewesen, ganz auf einen Beitrag zu verzichten. Die ARD-»Tagesschau« jedoch entschloss sich kurz nach Neujahr zur oberflächlichen Halbinformation:
»In Honduras fordern Tausende den Rücktritt des konservativen Präsidenten Hernández. Dieser hatte die Wahl im November knapp gewonnen. Seitdem gibt es Proteste und Wahlfälschungsvorwürfe. Polizei und Armee gingen mehrfach gewaltsam gegen Demonstranten vor. Honduras leidet unter Korruption und sozialer Ungleichheit.« (ARD-»Tagesschau«, 7. Januar 2018)
Was fehlte – und machte diese Meldung zur verlogenen Halbwahrheit? Was könnten die zugrundeliegenden Motive der Redaktion gewesen sein, die zahlreichen Facetten einer höchst komplexen Entwicklung in Honduras (vergleichbar mit vielen anderen Staaten Südamerikas) zu einem derartigen Stuss zu komprimieren?
Mit aktuellen Informationen über Honduras kann man überhaupt nur etwas anfangen, wenn man die Vorgeschichte zur Wahl des gegenwärtigen Präsidenten einigermaßen kennt. In Stichworten: Orlando Hernández ist ein Putschist. Einer seiner Amtsvorgänger, Manuel Zelaya, ursprünglich ebenfalls konservativ, hatte sich nach seiner Wahl im Jahr 2005 vom Saulus zum Paulus entwickelt. Seine Sozialprogramme und seine Bestrebungen, Honduras aus dem »Hinterhof der USA« hinauszuführen, lösten 2009 einen Staatsstreich der Wirtschaftselite und des Militärs gegen ihn aus. Der lange Arm der »Westlichen Wertegemeinschaft« war dabei unverkennbar: Zelaya wurde bei Nacht und Nebel im Schlafanzug entführt und auf einen US-Luftwaffenstützpunkt in Costa Rica verfrachtet. Orlando Hernández wurde nach einer wechselvollen Übergangszeit schließlich unter der Regie des Militärs einer der Nachfolger Zelayas.
Zu den von der »Tagesschau« erwähnten Wahlfälschungsvorwürfen fehlen entscheidende Informationen über die Hinterleute und deren spezielle Mittel und Machenschaften. Die Internet-Seite Amerika21.de schreibt über den Wahlverlauf: »Am Mittwoch war es über fünf Stunden hinweg zu Systemausfällen der Computer der Wahlbehörde gekommen. In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag mussten alle nationalen, internationalen Wahlbeobachter als auch die Journalisten das Gebäude verlassen, in dem die Dokumente ausgezählt und aufbewahrt werden. Zuletzt war die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung verstärkt in Honduras aktiv. Sie hatte nach eigenen Angaben Ausbildungskurse für führende Funktionäre der Wahlbehörde TSE organisiert, die jetzt unter Betrugsverdacht zugunsten der konservativen Regierung steht.«
Dass deutsche Parteistiftungen, finanziert aus Steuermitteln, ein außergewöhnlich schmutziges Spiel in Südamerikas Politik spielen: Wäre das nicht von Interesse für Millionen deutsche Fernsehzuschauer gewesen? Andersherum gefragt: Fügte sich die ARD-aktuell, regierungsfromm wie gewohnt, mit ihrem verständnisinnigen Schweigen dem Interesse der einflussreichen Parteistiftungen?
Bei dem »gewaltsamen Vorgehen« (»Tagesschau«) von Polizei und Armee des »konservativen« (»Tagesschau«) Präsidenten wurden mindestens 31 Demonstranten erschossen. Darüber schweigt nicht nur Washington, das in diesem Wahlskandal bis über die Ellenbogen drinsteckt, darüber schweigen auch die westlichen Medien, einschließlich der »Tagesschau«. Der Doppelstandard in der Berichterstattung, man vergleiche sie mit der über die Proteste im Iran, ist nicht zu übersehen.
Die USA haben in die honduranische Wahlkampagne mehr als 500 Millionen (!) US-Dollar zugunsten »ihres Mannes«, des späteren angeblichen »Wahlsiegers« Hernández, investiert und damit den gesamten Wahlvorgang zu einem von außerhalb gesteuerten Coup d‘état deformiert. Das Geld der Trump-Administration war gegenüber dem US-Kongress als »Investition in die Drogenbekämpfung« ausgegeben worden. Man bedenke, welch massive Einflussnahme auf die Wahl in einem armen Land eine solche Riesensumme darstellt – und wie das mit der Empörung des US-Establishments über angebliche Einmischungen Russlands in den US-Wahlkampf kontrastiert.
Letztlich handelt es sich bei der »Wahl« in Honduras also um die Fortsetzung einer Putschgeschichte, die mit der Person des Präsidenten verbunden ist; seine demokratische Fassade ist eine einzige Fälschung.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass ARD-aktuell auf wesentliche Fakten in ihrem Bericht über die »Unruhen in Honduras« verzichtete, weil deutsche Parteistiftungen involviert sind; nicht nur die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU. Es treiben auch die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis90/Grüne) und sogar die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Die Linke) ihre bösen Spiele in Honduras wie im übrigen Südamerika. Immer haben die weit mehr mit deutschen Wirtschaftsinteressen zu tun als mit den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerungen.
Wenn es gälte, demokratische Defizite abzubauen, dann wäre wohl vor unserer Haustür damit anzufangen. Dann hätte das Aufräumen mit der versumpften Form der Parteienfinanzierung aus Steuermitteln ganz obenan zu stehen. Sie bildet schließlich das Fundament der Parteienoligarchie, zu der unser Staatswesen längst verkommen ist.