»Kurmark«– so nannten die Nazis ihr letztes militärisches Aufgebot. Am 1. Februar 1945 wurde auf Befehl von Adolf Hitler die Panzergrenadierdivision »Kurmark« gegründet. Sie wurde zusammengestellt aus dem 3. SS-Lehrregiment, der Kampfgruppe Langkeit und einer Ersatzbrigade der Division »Großdeutschland«. Die Division »Großdeutschland« hatte Kriegsverbrechen verübt, sie hatte in Jugoslawien wahllos verhaftete Zivilisten erschossen und in Frankreich schwarzafrikanische Kriegsgefangene ermordet. Kommandiert wurde die Truppe vom hochdekorierten Wehrmachtsoffizier Willy Langkeit, der noch kurz vor Kriegsende zum Generalmajor befördert wurde und später im Bundesgrenzschutz bis zum Brigadegeneral Karriere machte. 1967 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz umgehängt. Die »Kurmark«-Division sollte die Rote Armee aufhalten, wurde aber im Kessel von Halbe südöstlich von Berlin weitgehend aufgerieben.
»Kurmark« – so hatte die SS 1943 ihren Truppenübungsplatz östlich von Berlin nahe dem Ort Storkow genannt, bei dessen nicht vollendetem Bau 8000 Häftlinge des KZ-Jamlitz/Lieberose durch Sklavenarbeit zu Tode geschunden wurden.
»Kurmark« – so hatten die Faschisten das SS-Wachbataillon genannt, das 1945, am 2. und 3. Februar, 1246 kranke und marschunfähige KZ-Häftlinge umbrachte.
»Kurmark« – so nennt heute die Bundeswehr in aller Unschuld ihre Kaserne im märkischen Ort Storkow im Landkreis Oder-Spree. Ausdrücklich als »Ehrennamen« hat der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, der Kaserne am 17. September 1993 diese Bezeichnung verliehen. Solche »Ehrennamen« sollen laut Traditionserlass der »Motivation der Truppe« und der »Wahrung der Tradition« dienen. Doch diese Tradition lehnen etliche Bürger vor Ort empört ab. Sie haben auf Initiative von Thomas Jacob die Gruppe »Aufrechte Bürger« gegründet, bäumen sich gegen dieses »faschistische Markenzeichen« auf und fordern die Umbenennung der Kaserne. Sie berufen sich auf die Aussage von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen aus dem vergangenen Jahr, wonach die Bundeswehr »nach innen und außen klar signalisieren« müsse, »dass sie nicht in der Tradition der Wehrmacht steht«. Sie fordern, einen neuen, einen »faschistisch nicht besudelten« Namen für die Kaserne in Storkow, in der zu DDR-Zeiten ein nach dem Antifaschisten Ottomar Geschke benanntes Pionierregiment stationiert war.
Die Argumentation der Bundeswehr weisen die »Aufrechten Bürger« zurück. Laut Märkischer Oderzeitung meint das Militär, der Name »Kurmark« solle allein an die Bezeichnung des Herzstücks der Mark Brandenburg im Mittelalter erinnern. Außerhalb der Nazi-Zeit habe der Name »Kurmark« in der Region überhaupt keine Rolle gespielt, betont dagegen Jacob. Ebenso abseitig und im Geschichtsverständnis der Bevölkerung vergessen sei die Begründung der Bundeswehr, mit der Wahl des Namens habe sie den Aspekt der gesellschaftlichen Teilhabe betonen wollen, da die mittelalterliche Kurmark für das Recht der Fürsten stehe, den Kaiser mitzubestimmen.
Umbenennungen von Kasernen erfolgen laut Traditionserlass der Bundeswehr auf Antrag der in der Liegenschaft stationierten Truppenteile und Dienststellen; auch benötigen Umbenennungen die Zustimmung der betroffenen Kommune. Thomas Jacob hat deshalb im Namen der Bürgerinitiative die Stadtverordneten von Storkow und die Abgeordneten des Kreistages Oder-Spree angeschrieben – ohne große Resonanz.
Landrat Christian Strauch antwortete, er werte das Scheiben als »Petition« und leite es an den Kasernenkommandanten weiter. Der Stadtverordnete Detlev Nutsch schrieb mit »freundlichen Grüßen«, »es obliegt mir nicht zu beurteilen, ob die Bundeswehr sich von der Wehrmacht oder nur vom Gebiet der ›Kurmark‹ bei der Namensgebung inspirieren ließ«. Er gehe davon aus, dass die Wehrmachtstraditionen zumindest in Storkow »keine große Bedeutung habe«. Sollte die Bundeswehr allerdings die Stadtverordneten um ihre Meinung bitten, werde er sich »einer Umbenennung nicht verschließen«. Jacob hat auch die Bundeswehr in Storkow angeschrieben und sie auf die faschistische Belastung des Kasernennamens hingewiesen: Im vergangenen Jahr wandte er sich an den damaligen Kommandeur der Kaserne, Oberstleutnant Thorsten Niemann, und am 18. Januar dieses Jahres an die amtierende Kommandeurin, Oberstleutnant Anastasia Biefang: »Sie könnten eine Zeichen setzen, ein Zeichen der Vernunft und des Nachdenkens über die zwölf furchtbarsten Jahre deutscher Geschichte und ein Zeichen über das Umdenken in der Bundeswehr«, hat er an die Kommandeurin appelliert. Keiner der beiden habe bisher geantwortet, berichtet Jacob und betont, die Bürgerinitiative werde aktiv bleiben.
Der Zentralrat der Juden, vertreten durch Geschäftsführer Daniel Botmann, nennt in seiner Stellungnahme das Anliegen der Bürgerinitiative »ein durchaus verständliches Bedenken«, schreibt aber, die Überlegungen des Zentralrats »gingen und gehen in eine etwas andere Richtung«, biete »doch die vielfach verwendete Territorialbezeichnung ›Kurmark‹ vielen Bewohnern eine Identifikation mit dem, was sie als ihre Heimat empfinden«. Im Unterschied zur Auffassung der Bürgerinitiative sei der Zentralrat »der Meinung, wenn man sich so benennt, sollte gerade nicht verabsäumt werden, diesen Missbrauch und die Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten durch die Sklavenarbeit zum Bau des Waffen-SS-Truppenübungsplatzes ›Kurmark‹ zur Sprache zu bringen, d. h., historisch-konkret die in der Landschaft der Kurmark lebenden Bürgerinnen und Bürger mit den Menschheitsverbrechen im Namen ihrer Heimat zu konfrontieren. Konkret erwarte der Zentralrat deshalb von den politisch Verantwortlichen der Region und insbesondere von den Bundeswehrangehörigen der ›Kurmark‹-Kaserne, die Open-Air-Ausstellung in Jamlitz kennenzulernen, sich mit den Geschehnissen dort vor Ort auseinanderzusetzen sowie darüber hinaus in die Gesellschaft hinein zu wirken, damit Gesellschaftsentwicklungen, die im Namen Deutschlands begangen auch den Missbrauch der kurmärkischen Heimat für Fremdenfeindlichkeit und Rassenhass einschlossen, niemals wiederkehren.«