..., aber der Teufel immer noch am Werk. Der Reihe nach: 1944 lag zum letzten Mal ein Paket mit deutschen Bakelitsoldaten unterm Christbaum. Ich war neun Jahre alt und habe sie gut aufgestellt für den Endsieg. Da konnte nichts mehr schiefgehen. Ging doch. Ich wollte es nicht glauben. Aber langsam, sehr langsam nahm ich Vernunft an und warf 1947, etwas verspätet, dieses Zeug endlich in den Mülleimer. Nützte nichts. Klammheimlich holte sie der katholische Doktor Adenauer wieder raus und bearbeitete uns erstmal: christliches Abendland gegen den Bolschewismus und so. Wie mir schon 1944 der klumpfüßige Doktor Goebbels aus dem Volks(emp)fänger gesagt hatte. Bald marschierten sie wieder. Bis zum Anschluss. Und schließlich, als Sozialdemokraten und Grüne regierten, gegen Jugoslawien und Afghanistan. Wegen: Nie wieder Auschwitz. Und zum Brunnenbohren und Mädchenschulenbauen. Und dann wurde Oberst Klein für seine erfolgreiche Eliminierung von über hundert gefährlichen Kindern, Frauen und Männern zum General befördert und ist jetzt im Verteidigungsministerium zuständig fürs, ja, »Personalmanagement«. Ich hätte ihn und den ganzen neo-deutschen Militärkram gern zu meinen großdeutschen Bakelitsoldaten in den Müll geworfen.
Doch jetzt – aus dem jüngsten Bericht des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) – die Frohe Botschaft: »Wir bewegen uns ressourcenmäßig am Limit und leben von der Substanz.« Und, ebenso erfreulich: »Anforderungen an uns, der tatsächliche Zustand unseres Materials und die Verfügbarkeit von Personal befinden sich nicht in der Waage, um die Einsatzbereitschaft im geforderten Umfang herzustellen.« Das zitiert er aus dem Rundbrief eines Marinekommandeurs an die Angehörigen seines Verbandes. Das Heereskommando analysiert: »Die derzeitige Beschaffungspraxis ist darauf ausgerichtet, Risiken möglichst auszuschließen, und strebt maximale (rechtliche) Sicherheit und Regelkonformität an. Immer komplexere, sich gegenseitig teils sogar widersprechende Regelungen erzeugen immer höheren sequentiellen Abstimmungsbedarf und vielfältige Schnittstellen.« Und der Luftwaffeninspekteur teilt im Sommer 2018 öffentlich mit: »Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt.«
Der Wehrbeauftragte hofft: »Diese Ehrlichkeit ist gut. Sie ist existentiell für die Zukunft der Bundeswehr. Nichts kommt von selbst. Wer Verbesserungen will, muss Missstände ansprechen. Entscheidungen sind nötig. Abwarten kann keine Option mehr sein.« Ja, diese Ehrlichkeit ist gut. Es geht um die Existenz der Bundeswehr. Oh ja, bitte.
Der Wehrbeauftragte: »Als Haupthindernis für notwendige Verbesserungen erleben viele Soldatinnen und Soldaten die Überorganisation von allem und jedem.« Und, so Bartels: »Für verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen Geld und Zeit steht nicht zuletzt der Fall ›Gorch Fock‹. Er zeigt paradigmatisch die Diffusion von Verantwortung in einer zersplitterten Zuständigkeitskultur, wo es niemandes Aufgabe zu sein scheint zu fragen: ›Ist das normal, wenn der Reparaturpreis sich von zehn auf 135 Millionen Euro verdreizehnfacht?‹« Aber ja, die Gorch Fock hat sich bewährt, um Soldatinnen und Soldaten, die den Anforderungen nicht genügen, aus der Welt zu schaffen.
Die Soldaten selbst, so Bartels, sprechen vom »Bürokratiemonster Bundeswehr«. Und sie sagen: »Wir verwalten uns zu Tode.« Das wiederum ist in der Tat die beste Lösung. Es ist erfreulich, dass die Bundeswehr sich selbst lahmlegt. Das Bürokratiemonster hat, gottlob, schon die Großdeutsche Wehrmacht vor Moskau ausgeschaltet, als sie in Sommerbekleidung vor der Zentrale des bolschewistischen Erzfeindes stand und mit Mann und Tank und Wagen entweder beim Anblick der Moskauer Türme sofort erfror oder allenfalls durch schleunigsten Rückzug das nackte Leben rettete.
Damals ging es um Winterbekleidung für die Soldaten, heute muss der Wehrbeauftragte barmen, dass bei seiner Bundeswehr gebrauchte Unterhosen aufgetragen werden müssen. Solange noch Platz in ihnen ist für angemessene Meinungsäußerungen über den Zustand der Bundeswehr. Dazu kommt ein »historischer Tiefstand« bei der Anwerbung neuer Soldaten. 2018 ist die Zahl der Neueintritte um 3000 auf nur noch 20.000 gesunken. Da hilft auch nicht die Anwerbung von Kindersoldaten auf großflächigen Plakaten (»Nach der Schule liegt dir die Welt zu Füßen. Mach sie sicherer«). Trump hat mit seiner Aufkündigung des INF-Vertrags die Atomwaffen im Iran, in Pakistan, in China, in Nordkorea scharf gemacht. Die so gewonnene Kriegsbereitschaft in aller Welt darf nicht auch noch durch eine Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erhöht werden. Sie darf nicht angriffsbereit, nicht kampfbereit sein. Am besten: Wir machen mit ihr, was ich vor sieben Jahrzehnten mit meinen Bakelitsoldaten anstellte. So machen wir die Welt ein wenig sicherer.