Die Konzernpresse als politischer Gesamtkapitalist und ihre Stichwortgeber in CDU/CSU, FDP und Grünen haben der SPD eine klare Weisung erteilt: Sprich nicht mit den Schmuddelkindern, den Linken. Die sozialdemokratische Führungsriege hält sich brav daran und bekundet täglich ihren Abscheu gegen Oskar Lafontaine, den ehemaligen SPD-Vorsitzenden, saarländischen Ministerpräsidenten und Bundesminister. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gab den Ton an: »Er ist ein Populist von der intelligenten Sorte. Das heißt, er hat die Fähigkeit, Stimmungen in der Bevölkerung zu erspüren und skrupellos für seine Zwecke auszunutzen. Lafontaine ist ein intelligenter Zerstörer. Ihm ist die Stabilität der Gesellschaft völlig egal.«
Als Lafontaine, jetzt Vorsitzender der Linkspartei und ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag, die Friedens- und Sozialpolitik des ersten sozialdemokratischen Bundeskanzlers lobte, fertigte der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck den früheren Duz-Freund mit den Worten ab: »Wenn einer nicht das Recht hat, sich auf Willy Brandt zu berufen, dann sind Sie es!« Baden-Württembergs SPD-Vorsitzende Ute Vogt assistierte: »Billige Parolen eines Linksabtrünnigen«. Und der weit rechts angesiedelte Seeheimer Kreis der SPD erfand für jene, die hin und wieder leise Kritik an der Führung üben, den Ausdruck: »den Lafo machen«. Ähnlich beschimpften bei den Grünen die sogenannten Realos das Parteimitglied Robert Zion, das durch seine überzeugende Rede auf dem »Afghanistan-Parteitag« vor einiger Zeit dafür sorgte, daß die für den »Tornado«-Einsatz plädierende Parteiführung eine schwere Schlappe erlitt, als »Abklatsch Lafontaines«.
In den Medien kommt die Diffamierung oft in hämischen Nebensätzen daher, zum Beispiel so: »FDP und Grüne, die beiden konstruktiven unter den Oppositionsparteien ...«; die nicht konstruktive kann also nur die Linkspartei sein. In Unternehmerversammlungen mag man es drastischer. Bei einem Empfang der Industrie- und Handelskammer Oberrhein nannte deren Präsident Karlhubert Dischinger – ohne irgendwelchen aktuellen Anlaß – Oskar Lafontaine »die saarländische Giftspritze«. Einen »nationalen Sozialisten« schimpfte ihn Arnulf Baring, nationalkonservativ bis auf die Knochen, den die Medien gern als Experten für alles heranziehen, vor allem für Verleumdung der Linken. Kongenial schloß sich die Badische Zeitung mit der Ernennung von Saarbrücken zur »Honecker- und Lafontaine-Stadt« und der »Linkspartei« zur »Partei der Kümmerer« (laut Duden in der Entwicklung zurückgebliebene Tiere) an. Aber auch der sonst oft geistreiche Kabarettist Matthias Richling entblödete sich nicht, das Wort »Lafonträne« zu schöpfen.
Da paßt es gar nicht ins Bild, wenn der Landesbischof von Sachsen, Axel Noack, der Linkspartei bescheinigt, »zweifellos Teil des demokratischen Staates« zu sein und wichtige Themen aufzugreifen. In den ostdeutschen Landtagen habe sie eine sehr solide und verläßliche Arbeit geleistet. Im übrigen seien 96 Prozent der Parteimitglieder im Osten nie in der SED gewesen.
Ein solches Urteil darf selbstverständlich nicht stehenbleiben, sondern wird umgehend zurechtgerückt. Der Zeitschrift Christ in der Gegenwart dient dazu die Betriebsschließung von Nokia in Bochum: »Die kommt nicht aus dem Geist eines demokratisch-freiheitlichen Kapitalismus, sondern aus dem Ungeist eines leninistisch-verrohten Kommunismus, einer Planwirtschaft.« Anders gesagt: Schuld sind immer die Schmuddelkinder, die Linken.
Und selbst wenn die Linkspartei jetzt Kommunisten in die Ecke stellt und Lafontaines Fraktionsvorsitzkollege Gregor Gysi die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln ausschließt – als Sündenböcke und Schreckgespenster werden sie weiter gebraucht.