So wie heute Ossietzky die Umschlagseiten für Anzeigen nutzt, so tat es einst die alte Weltbühne. In ihrer Ausgabe Nr. 45 vom 30. Oktober 1919 nahm die mit »Soeben erschienen« überschriebene Selbstanzeige des Verlages der Weltbühne eine halbe Seite ein. Angezeigt wurde eine Broschüre von Lothar Persius mit dem Titel »Der Seekrieg«. Den Lesern des Blattes war der Autor kein Unbekannter, und sie kannten auch die aufgeführten Kapitelüberschriften, war doch der Text zuvor als Serie in der Weltbühne erschienen.
»Das ist ein Begriff: Persius, geschätzt von uns, gehaßt von den Andern«, begrüßte Kurt Tucholsky die im schlichten grauen Karton gebundene Broschüre. »Und weil der Herausgeber der Weltbühne die vielen Aufsätze von L. Persius verdienstlich gefunden hat, um sie zu drucken, so sei mir erlaubt, sie in Buchform zu begrüßen, obgleich ›Der Seekrieg‹ im Verlag der Weltbühne erschienen ist. Achtzehn bunte und lebendige Kapitel. Die Schilderung der Flotte, wie sie gewesen ist, die Schilderung ihrer Existenz im Kriege und, halten zu Gnaden, das immense Schuldkonto der Männer um Tirpitz. Das ist heute nicht gleichgültig. Hieraus wird einmal die spätere Geschichtsschreibung schöpfen: aus allen diesen Broschüren und Heften und Pamphleten und Verteidigungen und Anklagen wird sich der Mommsen des Jahres 2000 ein Bild zu machen haben.« (Ignaz Wrobel in WB 18/1920)
Es war dies die erste von acht Buch-Publikationen, die bis 1927 im Verlag der Weltbühne erschienen sind. Enthüllende Artikelreihen, die es wert waren, nach ihrem Erstdruck in der Weltbühne auch in Buchform der Öffentlichkeit weiterhin zugänglich zu sein, waren unter Siegfried Jacobsohn eine Stärke des Blattes.
Eine weitere antimilitaristische Artikelfolge, die im darauffolgenden Jahr als Separatdruck erschien, hatte Jacobsohn bereits ins Blatt gehoben. »Das alte Heer« war sie betitelt, verfaßt »Von einem Stabsoffizier«. Auch in der Buchausgabe vom Herbst 1920 blieb der Autor noch anonym. Erst fünf Jahre später enthüllte sich für die Leser der Weltbühne, daß es sich bei dem »Stabsoffizier«, um den WB-Autor Arno Voigt handelte. Mit Heinrich Ströbels »Die Schuld im Kriege« erschien im gleichen Jahr eine weitere Schrift, die der Kriegsschuld-Frage nachging. Und noch eine dritte Publikation verlegte S. J. im zweiten Nachkriegsjahr, eine Neuauflage seiner Verteidigungsschrift »Der Fall Jacobsohn«, die erstmals 1913 im Verlag der Schaubühne erschienen war.
Vier Jahre vergingen, bis der Verlag der Weltbühne wieder ein Buch ankündigte: Felix Pinners »Deutsche Wirtschaftsführer«. Der bekannte Berliner Wirtschaftjournalist hatte seit 1921 unter dem Pseudonym Frank Faßland für die Weltbühne über 30 Porträts deutscher Wirtschaftsführer geschrieben, die jetzt in einem Band vereint als Buch auf den Markt kamen. »Was hier vorliegt, ist eine wissenschaftlich zuverlässige Darstellung aus der ›trockenen‹ Wirtschaftssphäre, gesehen und belebt durch das Temperament des Künstlers«, verhieß diesmal ein ganzseitiges Inserat.
Mit drei Editionen setzte Jacobsohn 1926 die Buchproduktion fort. Wieder waren es Texte, die zuvor in der Weltbühne publiziert worden waren. Neben Hellmut von Gerlachs Erinnerungen an seine Weltkriegserfahrungen unter dem Titel »Die große Zeit der Lüge« waren es Martin Hobohms »Untersuchungsausschuß und Dolchstoßlegende« mit dem Untertitel »Eine Flucht in die Öffentlichkeit« sowie Carl Mertens’ »Verschwörer und Fememörder«.
Die aufsehenerregenden Enthüllungen Mertens’ über die brutalen Verbrechen der Freikorps waren im Jahr zuvor anonym in der Weltbühne erschienen, doch für die Buchfassung hatte der Autor sich entschieden, mit offenem Visier anzutreten. »Als mehrjähriges Mitglied nationaler Wehrverbände habe ich Gelegenheit gehabt, die fürchterliche Fratze der Geheimorganisationen kennen zu lernen«, schrieb Mertens im Vorwort. »Wenn ich mit diesem Buche meine Anonymität fallen lasse und mich mit vollem Namen für seine Wahrhaftigkeit verbürge, so bin ich mir über die möglichen Folgen dieses Schrittes durchaus klar.«
Mit Jacobsohns Tod im Dezember 1926 endete die Buchproduktion des Verlages – mit Ausnahme eines in grünen Leinen gebundenen Bändchens, das noch im darauffolgenden Jahr erschien: »Das Geschäft als Theater«von Max Epstein. Es unterschied sich von den vorhergehenden Editionen nicht nur in der Aufmachung, sondern auch darin, daß es sich diesmal nicht um zuvor in der Zeitschrift publizierte Texte handelte. Von Epstein war seit August 1922 nichts mehr in der Weltbühne erschienen.
In ihrer Geschichte der Weltbühne schrieb Ursula Madrasch-Groschopp, daß S. J. sich »von dieser kleinen Buchreihe ... eine Vergrößerung der Wirksamkeit (der Serien) und vor allem eine Aufbesserung seines schmalen Verlagsetats« versprach. Doch, so die Autorin, »das letztere blieb ein schöner Traum«. Und das war wohl ein wesentlicher Grund dafür, daß die Reihe nicht fortgesetzt wurde.
Für den Historiker von heute jedoch bleiben »diese Broschüren und Hefte und Pamphlete und Verteidigungen und Anklagen« wertvolle Quellen, um sich ein realistisches Bild der damaligen Zeit machen zu können.