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Wer tut was gegen Steuerhinterziehung?  (Werner Rügemer)

Postchef Zumwinkel ist zurückgetreten, ohne daß bereits gerichtlich erwiesen ist, daß er über eine Stiftung in Liechtenstein Steuern hinterzogen hat. Ist das angeschlagene Image der deutschen Topmanager und des Moralstandorts Deutschland jetzt gerettet?

Das geht alles etwas zu schnell. Es ist nämlich so: Postchef Zumwinkel hat die ehemalige Bundespost zu einem global player umgebaut. Als langjähriger Berater bei McKinsey war er mit den rigorosen Methoden vertraut, die hier üblich sind: Personalabbau, Lohnsenkung, weltweiter Aufkauf von Konkurrenten. Und natürlich gehört zu den Methoden der Renditesteigerung auch die sogenannte Steuergestaltung. Ein Unternehmensvorstand muß auch hier möglichst das Optimum herausholen. Das Optimum heißt Nullsteuer.

Um in Richtung Nullsteuer zu kommen, holen sich die Vorstände professionelle Beratung: Wirtschaftsprüfer. Die prüfen die Bilanzen und geben ihr Testat für ordentliche Buchführung. Dafür erhalten sie Millionen-Honorare. Aber die Wirtschaftsprüfer tun noch etwas anderes. Sie beraten nämlich dieselben Konzerne auch in Steuerfragen. Die Wirtschaftsprüfer sind auch Steuerberater, und dafür erhalten sie ebenfalls Millionen-Honorare.

Wer sollte es nun einem Konzernchef verdenken, wenn er die von den Aktionären und den Medien gelobten Methoden der Renditesteigerung, die er er-folgreich für seinen Konzern angewandt hat, auch für seine eigene Vermögenssteigerung nutzt?

Wer die Zumwinkel vorgeworfene private Steuerhinterziehung anprangert, darf von den Praktiken seines Konzerns nicht schweigen. Die sogenannten Wirtschaftsprüfer sind eines schärferen Blickes wert. Sie haben bei VW und Siemens kriminelle Praktiken bis zum bitteren Ende als korrekt testiert. Sie beraten auch Topmanager bei Geldanlagen. Wieso hat eigentlich ihr Image bisher nie gelitten?

Zum kriminogenen Netzwerk gehören auch Staaten wie Liechtenstein, Luxemburg und die Schweiz. Seit Jahrzehnten sorgen sie für das gesetzliche Instrumentarium. Die Liechtensteinische Landesbank warnt gegenwärtig zahlreiche vermögende Deutsche, daß etwas wie bei Zumwinkel auch auf sie zukommt. Diese hochangesehenen Staaten leben von ihrem Standortangebot für Wirtschaftskriminalität; Steuerhinterziehung gilt hier als eine Finanzdienstleistung. Wieso ist nach hunderten solcher Skandale noch niemand auf die Idee gekommen, daran etwas zu ändern?

Die Parteien, aus deren Mitte der Rücktritt Zumwinkels gefordert wurde, könnten direkt und über die EU auf Abhilfe dringen. Stattdessen bauen die Landesregierungen Arbeitsplätze für Konzernbetriebsprüfer ab. Die hessische Landesregierung unter Roland Koch etwa schickte in den letzten Jahren ein gutes Dutzend Steuerbeamte, die die Steuererklärungen von Großunternehmen unter die Lupe nehmen wollten, in den Vorruhestand, teilweise mit Hilfe von psychiatrischen Gutachten. Mit 36 Jahren in den Ruhestand – damit Unternehmen in Ruhe auf die Nullsteuer zugehen.

Deswegen an dieser Stelle wenigstens ein Lob den Bochumer Staatsanwälten: Sie arbeiten nun schon zum zweiten Mal eine Liechtensteiner Liste mit hunderten von deutschen Topverdienern ab. Herzlichen Glückwunsch für die gute Arbeit! Und hoffentlich ist der Psychiater noch fern!